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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee
Autoren: dtv
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das?«
    »Die rennen doch überall hin und her.«
    Die Stimme war scharf wie eine Rasierklinge. Lindell musste lächeln.
    »Das Komische war, dass er sich bekreuzigte. Man liest ja so viel über solche religiösen Verrückten. Wissen Sie, wie alt ich bin?«
    »Nein«, antwortete Lindell.
    »Im Herbst neunundachtzig.«
    »Nicht zu glauben.«
    »Nein, ich glaube es ja selber nicht. Mein Mann sagt immer, ich bin wie eine Antilope. Er ist pensionierter Wildmeister und kennt sich aus.«
    »Das glaube ich sicher«, sagte Lindell. »Wenn wir nun noch einmal auf den Mann zurückkommen, den Sie gesehen haben. Warum rufen Sie jetzt an, mehrere Tage, nachdem Sie ihn sahen?«
    »Ich habe in der Zeitung davon gelesen. Er sah aus wie der auf dem Foto. Der, den die Polizei sucht. Da habe ich zu Carl-Ragnar gesagt, ich muss anrufen.«
    »Das war ausgezeichnet«, sagte Lindell. »Können wir vielleicht mit einigen Fotos vorbeikommen, die Sie sich einmal anschauen?«
    »Machen Sie, wie Sie wollen. Bis zwölf bin ich zu Hause, dann muss ich ins Krankenhaus.«
    |422| »Hoffentlich nichts Ernstes«, sagte Ann Lindell und verfluchte im selben Moment ihre unprofessionelle Reaktion.
    Nach dem Telefonat, das sich noch um weitere Minuten in die Länge zog, wollte Ann Lindell zunächst Beas Nummer eingeben, entschied sich dann aber für Sammy Nilsson. Sie übertrug ihm den heiklen Auftrag, eine Fotomontage zu erstellen und eine entzückende alte Dame zu besuchen, die in Slobodan Anderssons Viertel wohnte.
    Beim dritten Tipp, der am Morgen eingegangen war, handelte es sich um eine Beobachtung am Fyrisån, in der Nähe von Ulva Kvarn. Ein Mann aus Bälinge mit dem ungewöhnlichen Nachnamen Koort hatte zwei Männer nördlich von Uppsala am Fluss zelten gesehen. Es waren Ausländer, und aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass der Mann zunächst geglaubt hatte, sie würden auf der Erdbeerplantage arbeiten. Aber als er gestern den Besitzer getroffen und die beiden Männer erwähnt hatte, sagte der, dass keiner seiner Angestellten zeltete.
    Ann Lindell rief die Nummer an. Frau Koort war am Apparat. István Koort war zum Angeln unterwegs.
    »Er kommt zum Mittagessen zurück. Hoffentlich ohne Fische«, seufzte seine Frau.
    »Hat er kein Handy?«
    »Nicht, wenn er Angeln geht.«
    »Wohin wollte er fahren?«
    »Normalerweise ist er in der Nähe von Ulva.«
    Ann Lindell bat die Frau, ihrem Mann auszurichten, er möge sie zurückrufen, sobald er nach Hause käme.
    Nach den drei Gesprächen fühlte sich Ann Lindell in der Auffassung bestätigt, dass die Brüder Alavez lokalisiert und gefasst werden würden. Auf die Dauer waren ihre Möglichkeiten, sich zu verstecken, zu gering. Sie sah auf die Uhr. Fünf vor neun. Zeit für eine erste Tasse Kaffee.
     
    |423| Um 06.43   Uhr, drei Minuten verspätet, hatte die Maschine des Flugs Ryanair FR51 vom Flugplatz Skavsta bei Nyköping abgehoben. Unter den Passagieren befanden sich Abel und Carlos Morales. Beim Einchecken hatte es keine Probleme gegeben. Ein kurzer Blick in den Pass, ein paar unverbindliche freundliche Worte auf Englisch und ein »gute Reise« war alles.
    Sie hatten kein Wort miteinander gewechselt, seit sie eingestiegen waren und ihre Plätze eingenommen hatten. Durch das Fenster sah Manuel eine Stadt in der Ferne verschwinden. Das war sein letztes Bild von Schweden, dann lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
     
    Um 7.57   Uhr Ortszeit setzte das Flugzeug in Stansted, dem Flughafen nördlich von London, zur Landung an. Manuel trank den letzten Schluck Kaffee aus und sah auf die Uhr.

|425| EPILOG
    D ie Landschaft glich einem braungrünen Gewebe, bei dem die bestellten Felder die Schuss- und die Bergkämme die Kettfäden bildeten. Als er eine Weile aus dem Fenster gestarrt hatte, wurde ihm schwindlig und er schloss die Augen.
    Seit die Maschine zum Sinkflug angesetzt hatte, war das Gemurmel der erwartungsvollen Reisenden lauter geworden. Er schlug die Augen auf und sah sich um. Seines Wissens war er der einzige Weiße in der Kabine.
    Er klappte den Tisch vor sich hoch. Er hatte eine lange Reise hinter sich, aber er würde bald am Ziel sein. Wenn er alles richtig verstanden hatte, fuhren Busse in die Berge. Wenn nicht, musste er eben ein Auto mieten und vielleicht jemanden finden, der ihn begleitete. Seine Reisekasse war recht gut ausgestattet.
    Die Berge wirkten bedrohlich. Wie können Menschen hier leben? Kann man auf diesem zerrissenen Terrain etwas anbauen?
    Er sah den Schatten des
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