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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Absprachen über das Abendessen oder die Kinderbetreuung treffen zu müssen, fand er ungewohnt entspannend. Zumindest bis Mitte nächster Woche würde das auch noch so bleiben, denn Julia und Judith waren mit der Schule auf einer Naturerkundungsfahrt im Katinger Watt. Seiner Meinung nach bedurften die mittlerweile 13-jährigen Zwillinge ohnehin nicht mehr der lückenlosen Obhut ihrer Eltern. Doch das war ein Thema, das Astrid ganz anders sah, und er verdrängte es schnell aus seinen Gedanken, um sich nicht die gelöste Feierabendstimmung zu verderben.
    Vor einem Restaurant an der Trave im Malerwinkel suchte er sich zwischen den vielen Touristen einen freien Tisch. Das bunt durcheinander gewürfelte, riesige Speisenangebot auf der Karte, das nach vielen Fertigzutaten aussah, ließ ihn sich gegen ein Essen entscheiden. Es war sowieso noch zu früh und so bestellte er nur ein Glas Rotspon, genoss den Blick auf vorübergleitende Schiffe und die letzten Sonnenstrahlen dieses prachtvollen Tages und überlegte, was er sich in Steffens Luxusküche heute kochen sollte. Ein warmer Abend wie dieser verlangte nach leichten Gerichten, etwas Fisch auf Salat, dazu knuspriges Baguette, oder einfach nur ein Teller Caprese mit Steffens ausgesucht köstlichem Olivenöl. Oder sollte er vielleicht doch lieber eine große Portion frischen Spargel kaufen, den einige Bauern im Umland in hervorragender Qualität anbauten? Mit Katenschinken, neuen Kartoffeln und Butter ein Gedicht! Aber auch lauwarm mit einer Balsamico-Vinaigrette war dieses feine Gemüse nicht zu verachten. Georg ließ sich mit der Entscheidung Zeit. Allein das Nachdenken über all die kulinarischen Möglichkeiten bereitete ihm schon ein stilles Vergnügen.
    Eine Stunde später fuhr er mit einem Pfund Spargel, Kartoffeln und Schinken im Fahrradkorb in Richtung Burgfeld. Kurz überlegte er, ob er einen Umweg über St. Jürgen machen und bei Astrid vorbeischauen sollte. Als er ihr vor zwei Wochen von Steffens Vorschlag berichtet hatte, dass er während der Hochzeitsreise der Freunde ja das Haus hüten könnte, hatte er das für eine Schnapsidee gehalten und überhaupt nicht damit gerechnet, dass Astrid damit einverstanden wäre. Aber zu seiner großen Überraschung hatte sie nur um eine kurze Bedenkzeit gebeten und dann zugestimmt. In seine erste Freude darüber hatte sich bei ihm allerdings bald die leise Frage gemischt, warum seine Frau so bereitwillig ihr Einverständnis gegeben hatte.
    Georg zögerte. Sollte er Astrid jetzt wirklich einen Besuch abstatten? Für den nächsten Abend waren sie ja ohnehin verabredet und außerdem merkte er, dass er im Geiste bereits nach Verteidigungsstrategien suchte, sollten wieder die strittigen Themen hochkochen, bei denen ihre Gespräche in letzter Zeit unweigerlich landeten. Also entschied er sich gegen den Besuch zu Hause und trat etwas kräftiger in Pedale.

     
    Bumtschibum – der Rhythmus der Musik und Paolo Contes rauer Gesang waren einfach mitreißend. Gut gelaunt tänzelte Angermüller in der geräumigen Küche umher, auf der Suche nach passenden Küchengeräten zur Zubereitung seines Abendessens. Gerade wollte er mit dem Spargelschälen anfangen, da klopfte es laut an die offen stehende Terrassentür.
    »Einen schönen guten Abend, Herr Angermüller. Ich habe es mit Klingeln versucht, aber Sie scheinen wegen der Musik nicht gehört zu haben.«
    Die Nachbarin von heute Morgen. Langsam wurde sie lästig.
    »Ist Ihnen die Musik zu laut?«, fragte Angermüller nicht sehr freundlich statt einer Begrüßung und schickte sich an, nebenan im Wohnzimmer die Anlage leiser zu drehen.
    »Was denken Sie? Ich verehre Paolo Conte!«, sie lächelte ihn strahlend an. »Hier: Ich habe Ihnen was zu essen mitgebracht.«
    Und sie hob einen mit einem weißen Tuch bedeckten Korb hoch. Mist, er hatte ihren Namen schon wieder vergessen.
    »Frau Nachbarin, das ist sehr nett, aber wirklich nicht nötig. Ich bin gerade dabei, mir mein Abendessen zu machen.«
    Die Frau spähte zum Küchentisch.
    »Oh, Spargel! Ich liebe Spargel! Dann können wir ja zusammenschmeißen. Zu zweit zu essen ist doch sowieso netter als allein. Ich finde, das ist eine hinreißende Idee – oder erwarten Sie jemanden zum Essen?«
    Resigniert schüttelte Angermüller den Kopf. Diese Frau war der reine Tsunami, sie überrollte einen völlig und ließ einem keine Möglichkeit zur Flucht.
    »Und wissen Sie was? Ich habe sogar einen schönen kühlen Weißwein dabei, der wunderbar zum
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