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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Spargel passt, einen weißen Doluca. Wollen wir auf der Terrasse essen?«
    Eine gute halbe Stunde später saßen sie draußen an einem üppig gedeckten Tisch. Spätestens, als die Nachbarin die Schüsselchen und Tellerchen aus ihrem Korb gepackt hatte, begab sich Georgs Gereiztheit wieder auf den Rückzug. Das erste Glas Wein tat ein Übriges. Kurz wunderte er sich noch, dass der Genuss von Alkohol für seine türkische Nachbarin scheinbar völlig normal war, aber dann spähte er neugierig auf das appetitliche Arrangement, das sich vor ihm ausbreitete und ihm den Mund wässrig werden ließ. Um den Spargel herum gruppierten sich gefüllte Auberginen und Muscheln, knusprige Zucchiniküchlein, Schafskäse in Teigröllchen, Fischrogenpaste und einiges mehr. Und wie es seine Art war, bemühte sich Georg, eifrig von allem zu kosten und fragte interessiert nach Namen und Zusammensetzung der ihm zumeist fremden Speisen.
    »Das schmeckt ja köstlich«, lobte er, während er sich ein weiteres von den roten, scharfwürzigen Bällchen nahm, etwas Zitrone darüber träufelte und es in ein Salatblatt rollte, wie Derya es ihm gezeigt hatte.
    »Was ist das?«
    »Das sind Çi ğ Köfte , rohe Köfte aus Lammhack und Bulgur mit ganz vielen Gewürzen. Ich mag das auch sehr. Dieses Gericht ist eine Spezialität aus Südostanatolien. Eigentlich trinkt man am besten Ayran dazu. Aber ich finde, Weißwein geht auch. Zum Wohl, Georg!«
    Nachdem die Nachbarin bemerkt hatte, dass Angermüller ihr Name immer noch nicht geläufig war, hatte sie ihm kurzerhand noch einmal ihren Vornamen genannt, Derya, und gleich entschieden, dass sie jetzt Georg zu ihm sagen und ihn duzen würde.
    »Wir sind Nachbarn. Wir sind, denke ich, in etwa gleich alt. Wir essen zusammen, trinken zusammen, wir werden uns bestimmt noch öfter sehen – dann können wir uns auch gleich duzen, finde ich. Oder hast du was dagegen?«
    Ihm blieb gar keine Wahl als zuzustimmen. Während er sich an den türkischen Spezialitäten gütlich tat, schien es Derya der Spargel angetan zu haben, den Angermüller lauwarm in einer Vinaigrette angerichtet hatte.
    »Köstlich, Spargel ist einfach was Wunderbares und erst mit dieser Vinaigrette!«
    Allmählich, und ganz gegen Georgs Erwartungen, entwickelte sich ein richtig netter Abend aus diesem spontanen gemeinsamen Essen, obwohl es hauptsächlich Derya war, die redete. Doch was sie erzählte – zuerst vieles über die türkische Küche, später einiges über sich und ihren Werdegang –, war interessant, und sie war dabei amüsant und unterhaltend.
    »Nach dem Abi wusste ich nicht so richtig, was ich machen sollte. Eigentlich war ich in Hamburg für Jura eingeschrieben. Aber dann bin ich am Ende des ersten Semesters nach Berlin abgehauen. Ich hab mich an der Schauspielschule beworben und die haben mich tatsächlich genommen!«
    »Schauspielerin! Das hört sich ja interessant an.«
    »War leider nicht so aufregend, wie du glaubst. Ich durfte immer nur türkische Kopftuchmuttis, Putzfrauen oder Krankenschwestern spielen.«
    Es klang ziemlich enttäuscht.
    »Aber schau mich doch mal an!«, rief sie plötzlich, sprang auf und breitete theatralisch beide Arme aus. »Bei meiner Größe, mit dieser Figur, diesen Haaren – die sind natürlich nur blond gefärbt, hast du wahrscheinlich längst bemerkt –, den dunklen Augen und diesen Wangenknochen«, sie klopfte mit den flachen Händen darauf. »Auch wenn ich sicherlich keine schlechte Schauspielerin bin – das haben mir meine Regisseure oft genug gesagt –, mein türkischer Migrationshintergrund, wie man heute so schön sagt, lässt sich eben einfach nicht verleugnen.«
    Dass ihre blonde Haarfarbe nicht echt war, hatte er eigentlich nicht gedacht. Für seine Ohren sprach sie wie eine echte Norddeutsche. Georg machte ein ernstes Gesicht und gab sich Mühe, sein Gegenüber so unauffällig wie möglich zu mustern.
    Derya lachte los. »Du brauchst nicht so mitleidig zu gucken! Wer weiß, vielleicht werd ich ja doch irgendwann noch für Hollywood entdeckt!«, meinte sie fröhlich. »Aber abgesehen davon bin ich eigentlich ganz glücklich, wie alles gekommen ist.«
    »Und dann hast du also einen Cateringservice für Spezialitäten aus deiner Heimat aufgemacht?«
    Derya schüttelte lachend den Kopf. »Gleich mehrfach falsch! Ganz so schnell ging das natürlich nicht. Ich hab alle möglichen Jobs gemacht, bevor ich mit dem Kochen anfing. Natürlich beherrsche ich die Spezialitäten der türkischen
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