Rosenschmerz (German Edition)
ein
Gesicht er dabei machte. »Dass Kathi frei sei?«
Morlock rieb sich die Hände. »Na ja, unschuldig ist sie halt.
Unschuldig an allem, schon gleich an einem Mord. Wobei es ja bekanntermaßen sehr
fraglich ist, ob Niki Kirchbichlers Tod überhaupt auf Fremdeinwirkung
zurückzuführen ist.«
»Klugscheißer!«
Ottakring hatte es eigentlich nur gedacht. Aber so, wie einer
ungewollt rülpst, merkte er erst hinterher, dass er laut gesprochen hatte.
»Oh nein, mein Lieber. Katharina hat ein astreines Alibi.«
Morlock schnalzte im Rhythmus der Hintergrundmusik mit den Fingern.
Es war irische Volksmusik.
Wie ein Film rauschte die gesamte Ermittlungsakte Silbernagl an
Ottakrings innerem Auge vorbei. Kathi hatte kein Alibi. Die Anklage war
wasserdicht gewesen.
»Oh nein«, sagte er.
»Oh ja.«
Ottakring hatte keine Lust auf solche Spielchen. »Ich geh jetzt
wieder«, sagte er.
»Na gut, wenn Sie wollen. Kathi ist jedenfalls frei.«
Morlock strahlte dabei eine solch unverschämte Selbstsicherheit aus,
dass Ottakring letztlich doch noch in die Knie ging.
Und wieso weiß ich das nicht?, hätte er fragen wollen. Doch er
sagte: »Und was wäre ihr Alibi, Professor? Wenn’s stimmt?«
»Kathi hat die fragliche Zeit mit mir in der Bar vom Voglwirt
verbracht. Von Anfang bis Ende. Es war sehr angenehm.«
»Und wer kann das bezeugen?«
»Gott, Herr Ottakring, das haben wir schon alles der
Ermittlungsrichterin erläutert. Sie hat letztendlich die Verfügung
unterschrieben.«
»Wir? Wer ist wir?«
»Na, Kevin und ich.«
»Kevin? Welcher Kevin?«
»Kevin Specht natürlich. Mein Freund. Er saß mit uns an der Bar. Er
hat es bezeugen können.«
Als Morlock Ottakrings bestürztes Gesicht sah, haute er noch einmal
drauf: »Den werden Sie ja wohl kennen? Den Kevin?«
*
Sie war frei. Ihr langes Schweigen hatte sich also doch
gelohnt. Sie war auf dem Weg zum Pornostar. Charly würde ihr diesen Weg ebnen.
Er hatte es versprochen.
Das Haus ihre Onkels, Urfahrn 13, war wirklich das prachtvollste an diesem
Tiroler Berg. Es lag da wie ein Herrensitz inmitten der Winterlandschaft. Die
Temperaturen waren milder geworden. Unten im Tal war der Schnee
dahingeschmolzen. Hinter einem Wald von Kränen über dem Neubaugebiet blitzte
der See. Er war immer noch zugefroren. Der Bergwind wirbelte eine Ladung
Pulverschnee das gewundene Sträßchen hinunter. Der Schnee hüllte einen Mann
ein, der einen Schlitten mit zwei dick vermummten Kindern drauf zog. Irgendwo
krähte ein Hahn.
Sie hatten Kathi wie ein zurückgekehrtes Mitglied der Familie
begrüßt, Onkel Josef, seine vertrocknete Mutter und das Hannerl. Dabei war es
erst wenige Tage her, dass sie von der Polizei abgeholt worden war. Und nun
hatte Charly sie hergebracht.
Sie hatte Glück gehabt. Die Ermittlungsrichterin war nicht die
gewesen, die den Haftbefehl unterschrieben hatte. Eine junge, hübsche. Die
Richterin hatte sich von Kevins Auftreten und seinem Titel einwickeln lassen.
Und Charly hatte ein Übriges getan. Ja, es hatte auch gestimmt, dass sie mit
den beiden Männern lange Zeit in der Bar verbracht hatte. Kein Schwein hatte
ihr an jenem Nachmittag Rosen abkaufen wollen. Und Kevin? Der war um sie
herumgewieselt wie ein brünftiger Hirsch. Sie war auch nicht abgeneigt gewesen,
später mit ihm ins Bett zu gehen, doch Charly hatte eisern die Kontrolle
behalten. Zwischendurch hatte sie sich einmal nach Niki erkundigt und war
heimlich ins Wellness-Center geschlichen. Sie hatte durchs Guckfenster in die
Sauna hineingeschaut – und da hatte sie ihn liegen sehen, den Niki. Schön
und nackt. Bilder tauchten auf, wie aus dem Nichts. Sie hatte die Tür geöffnet
und nach ihm gesehen. Er lag da wie ein gemalter Jüngling. Nur – der
Jüngling schnaufte nicht mehr. Der Puls war Zero. Ein Schreck war ihr durch die
Glieder gejagt. Wenn man sie hier entdeckte … mit dem toten
Kirchbichler … Schließlich stand sie unter Bewährung. Sie rührte nichts an
und schloss vorsichtig die Tür. Niemand hatte sie beobachtet. Auch der bärtige
Franz war nicht da.
»Du warst aber lang auf der Toilette«, hatte Charly gesagt. Und
Catrin hatte ihr rätselhaftestes Lächeln auf die Lippen gezaubert.
Immer noch war sie ein bisserl traurig über Nikis Tod. Aber Niki,
das wusste sie heute, war ein Hochstapler gewesen. Viel Schein und nichts
dahinter. Niki hätte sie nie zu dem machen können, was Charly mit ihr vorhatte.
Na ja, und wie sie dann im Gefängnis gelandet war, hatten die beiden
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