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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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achtete sorgsam darauf, dass kein
Vorwurf in seinem Ton mitschwang. Er saß in seinem Porsche auf dem Parkplatz
vor dem Voglwirt und ließ den Motor warmlaufen, während er seine Partnerin in
München anrief.
    Den Mantel hatte er angelassen. Er war das einzig Trockene an ihm.
Alles andere im Wagen einschließlich Hund war triefnass. Er hatte das Tier in
einer Hoteldusche gewaschen, shampooniert und abgerubbelt. Nun saß Herr Huber
mit blutunterlaufenen Augen auf dem Beifahrersitz und ließ den Kopf hängen.
    »Ich bin grad auf dem Weg zum Arzt, Joe.« Lola Herrenhaus klang
müde. »Ich seh aus wie nach einem total versoffenen Abend. Gut, dass ich nicht
mehr vor der Kamera stehe. Und das operierte Auge brennt, als hätte ich einen
Liter Seife hineing…« Lola Herrenhaus stoppte mitten im Satz.
    Ottakring meinte ein leises Schluchzen zu hören. Ihm platzte der
Kragen. »Verdammt noch mal, Lola!«, schrie er ins Telefon. Verbittert schlug er
mit der Faust aufs Lenkrad. »Was soll das denn für eine Operation sein, wenn es
hinterher solche Komplikationen gibt. Davon hat uns vorher niemand was erzählt.
Seit zwei Wochen plagst du dich jetzt schon damit herum. Soll ich nach München
kommen? Kann ich irgendetwas für dich tun?« Er hatte die Autotür aufgeworfen,
war ausgestiegen und stapfte mit dem Handy am Ohr zwischen den anderen Autos
hin und her.
    Ein geradezu physisches Unbehagen kroch ihm durch die Glieder.
Mitten im Schritt hielt er inne. Es tat ihm leid, dass er so ausgeflippt war.
    »Entschuldige, Lola. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Mein
Zorn war ja nicht gegen dich gerichtet …«
    »Gegen wen sonst?«
    »Na, gegen die, die dich operiert und nicht vor Komplikationen
gewarnt haben.«
    »Joe«, kam es leise. Lola schien sich wieder gefasst zu haben. »Mein
lieber Ottakring. Ich bin operiert worden. Eine Operation ist der Versuch, eine
Maschine zu reparieren, ohne den Motor anzuhalten. Da kann immer mal etwas
passieren. Und meine Komplikation trat ja erst hinterher auf.«
    Oh Lola. Wenn ich dich nicht hätte. Du bist so eine wunderbare Frau.
Ruhig, intelligent und kopfgesteuert. »Wie schaffen Sie es, mit diesem
eigenwilligen Typen zurechtzukommen?« Diese berechtigte Frage an Lola hatte er
mit eigenen Ohren gehört. Und sich die gleiche Frage gestellt. Tausend Mal
schon. Wie kommt’s, Lola, dass du nach so vielen Jahren immer noch bei mir
bist? Ich gehe los wie ein angeschossener Bär, und du nimmst die Leute noch in
Schutz. Und meistens hast du ja recht.
    Obwohl Lola lange Jahre als Journalistin unter Männern gearbeitet
hatte und sich auch als Moderatorin beim Fernsehen zwischen zotigen Kollegen
und begehrlichen Blicken behaupten musste, hatte sie sich ihre weibliche
Spontaneität und sogar eine gewisse Naivität bewahrt. Man durfte sie nur nicht
unterschätzen.
    »Lola?«
    »Ja?«
    »Möchtest du herkommen?«
    »Jooooe!«
    Wie er das mochte. Dieses langgezogene Joe mit einem vorwurfsvollen
Ausrufungszeichen hinten dran.
    »Wie soll das denn funktionieren?«, sagte sie. »Komm du doch her. Du
bist Pensionist, und ich bin krankgeschrieben. Also, was ist?«
    Ottakring war damals nach seiner krankheitsbedingten
Frühpensionierung von München ins Rosenheimer Land gezogen. Weil er die Nähe
der Berge mochte und die Großstadt mied. Lola konnte wegen ihres Jobs beim
Bayrischen Fernsehen nicht mitkommen. Sie liebten sich und genossen das immer
seltener werdende Beisammensein. Doch das ständige Hin und Her nervte
inzwischen beide. Tiefe Wunden hatte er ihr schon zugefügt, wie nur ein Liebender
sie dem anderen beibringen kann. Und stets empfand er einen Anflug von Trauer,
wenn er ihre Stimme am Telefon hörte. Viel lieber hätte er sie einfach im Arm
gehalten und fest an sich gedrückt.
    »Lola«, sagte er ernst und blieb stehen.
    Er hatte das tiefe Bedürfnis, ihr von dem Attentat auf Herrn Huber
zu erzählen. Und sie um ihren Rat zu fragen. Sollte er die angebotene Aufgabe
annehmen oder ablehnen? Aufs Neue in den Kriminaldienst einsteigen? Er war sich
überhaupt nicht sicher. Es gab zu viele Fürs und Widers. Lola, ich hab ein
Problem, ich fühl mich nicht gut. Aber hatte sie nicht ein viel größeres
Problem? Ihre Gesundheit stand auf dem Spiel und nicht nur die. Er entschloss
sich, ihr vorerst nichts zu sagen.
    »Ich liebe dich«, schloss er und setzte sich wieder zu Herrn Huber
ins Auto.
    Ottakring stand mit einem Bier in der Hand am offenen
Fenster seiner Wohnung und blickte hinaus in die
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