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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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im Speziellen oder das Schicksal im
Allgemeinen? Er nahm sich vor, auf beide Risiken zu achten. Während der
einstündigen Fahrt nach Rosenheim keimte eine dunkle Ahnung in ihm auf, dass
eine spannende Zeit vor ihm lag. Etwas wie Lampenfieber machte sich breit. Er
glaubte sogar zu spüren, wie sich eine gewisse Vorfreude einstellte.
    Im diesigen Licht der tief stehenden Morgensonne lenkte
Ottakring den alten Porsche auf der A8
den Irschenberg hinunter. Jetzt, am frühen Morgen, waren die rechte und die
mittlere Spur von Lkws aller Nationalitäten belegt. Das Tor zum Süden. Rechts
der Autobahn abfallende, im Schnee versunkene Flächen mit einer malerischen
Barockkirche mittendrin, deren Namen er sich nie merken konnte. Dahinter die
Vorgebirge zu den Alpen, und noch weiter hinten der rosa gefärbte,
schneebedeckte Wilde Kaiser. Ein Meer von Zacken und Gipfeln.
    Herr Huber schnarchte neben ihm, das Radio blieb ausgeschaltet.
Tausend Gedanken schwirrten Ottakring durch den Kopf.
    Dreizehn Tage Zeit blieben Lola, um ihr Auge zu retten. Wenige
Stunden blieben ihm selbst, um eine Entscheidung zu treffen, die sein Leben
wieder einmal ändern würde. Einen wichtigen Grund gegen seine Reaktivierung im
Polizeidienst hatte er schon gefunden: Herrn Huber! Was sollte er mit dem Hund
machen, wenn er selbst in der Früh zum Dienst gehen würde? Weder konnte er ihn
mitnehmen, noch wollte er ihn jemand anderem anvertrauen. »Ich hab einen Hund
zu Hause.« Sollte er das vielleicht dem Präsidenten als Begründung für eine
Ablehnung angeben?
    Kirchbichler tot! Diese Nachricht walzte erneut jeden weiteren
Gedanken nieder. Während er schimpfend hinter einem Laster auf der linken Spur
herschlich, nahm er sich vor, alles zusammenzukratzen, was er über Kirchbichler
gehört und gelesen hatte. Gesehen hatte er ihn seit der Schulzeit nicht mehr,
mit gutem Grund, und das war jetzt immerhin gut dreißig Jahre her.
    Niki war bis zum Abitur sein Banknachbar gewesen. Beide waren sie zu
stur gewesen, sich einen anderen Sitzplatz zu suchen. Er selbst, Josef
Ottakring, hatte sich als Sohn von Beamteneltern recht durchschnittlich gefühlt.
Vielleicht, so dachte er heute, war er immer ein wenig neidisch gewesen auf den
erfolgreichen Mädchenschwarm Niki Kirchbichler. Bereits mit vierzehn spielte
Niki Tennis in der Mannschaft von Iphitos München. Schon damals hatte er das
Gesicht eines Wolfs und die Augen eines Retrievers. Ständig war er mit einem A-Promi
aus der Sport-, Musik- oder Modewelt in den Gesellschaftskolumnen von Magazinen
und im Fernsehen präsent. Dieses Netzwerk war es wohl gewesen, das ihm den
Start einer traumhaften Karriere als Interpret der Volksmusik ermöglicht hatte.
Auf deren Höhepunkt musste er um die vierzig gewesen sein. An eines der ersten
Stücke konnte Ottakring sich erinnern. »I liab di, Alpenrosn« oder so
ähnlich.
    »Depperlesmusik«, entfuhr es ihm.
    Der Laster vor ihm war wieder eingeschert.
    Australian Open, Hamburg-Rothenbaum, Großer Formel-1-Preis von
Monaco, Musikantenstadl, Sportpresseball, Schlagerparade der Volksmusik,
Neujahrsempfänge – Niki Kirchbichler war allgegenwärtig gewesen. Auch in
Filmen hatte er mitgespielt. Irgendwelche Titel mit Glück, Herz oder Aufbruch.
Fanclubs in allen deutschsprachigen Ländern, Holland, Skandinavien. Orden.
Zahlreiche Frauengeschichten. Von Skandalen war nichts zu lesen gewesen.
    Ottakring musste vorsichtig fahren. Es gab Schneeverwehungen. Als er
kurz vor einer Behelfsausfahrt die 100-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung
hinter sich gelassen hatte, schnaufte er durch. War er vielleicht Kirchbichlers
Biograf? Er hatte sich nur kurz an ein paar Dinge erinnert, die in all den
Jahren hängen geblieben waren. Nebensächlichkeiten. Vor allem jetzt, wo Niki
tot war. Das beneidenswerte Leben dieses Herrn würde eh in allen Medien
durchgekaut werden.
    »Du blede Sau …« , schrie er.
Vollbremsung. Einer, der die Ausfahrt Bad Aibling noch packen wollte, hatte ihn
derb von links geschnitten. Ottakring riss das Steuer herum und drückte die
Hupe, als wolle er ihn abschießen. Herr Huber, nicht angeschnallt, rumpelte
gegen die Konsole und schleuderte ihm ins Lenkrad. Dabei rutschte das Handy
runter. Ottakring hatte Mühe, die Spur zu halten. Hubers schuldbewusster Blick
nahm bei Ottakring sofort den Dampf raus. Er lachte laut. Dass im selben Moment
sein Telefon unterm Sitz rasselte, erstaunte ihn nicht. Das entsprach absolut
Murphys Gesetz.
    »Hallo, Onkel Josef!«
    »Hi, Miss
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