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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Autoren: Mirjam Mous
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»Ich habe noch.«
    Val hatte recht. Filme waren tatsächlich Schwachsinn.
    Nach dem Frühstück ging ich in mein Zimmer zurück, um mir die Zähne zu putzen. Das Zimmermädchen war schon da gewesen und hatte saubere Handtücher aufgehängt. Ich warf mir das größte der Handtücher über die Schulter, lief die Treppe hinunter, gab den Schlüssel an der Rezeption ab und schlenderte hinaus, über die Bar zum Pool. Im Wasser dümpelte ein Mädchen auf einer Luftmatratze. Neben dem Pool lagen zwei ältere Leute und sonnten sich. Ihrer braunen, runzeligen Haut nach lagen sie schon ein paar Millionen Jahre dort.
    Val zerrte an einem der Liegestühle. »Hilf mir mal«, sagte sie. »Ich möchte im Schatten sitzen.«
    Wir hoben den Stuhl jeder auf einer Seite an und trugen ihn in den Hotelgarten. Wenn wir uns hinter das Mäuerchen legten, konnte uns keiner sehen. Wir schwammen eine Weile und ließen uns von der Morgensonne trocknen. Dann suchten wir unseren Schattenplatz auf und küssten uns. Bis Vals Telefon klingelte.
    Es war ein kurzes Gespräch auf Spanisch. Ich sah sie fragend an.
    »Falsch verbunden.« Sie schlang das Handtuch um ihre Taille und klemmte ihr Handy dazwischen. »Ich habe Durst. Cola?«
    »Ich kann sie gern holen«, sagte ich und richtete mich halb auf.
    »Du bleibst liegen.« Sie drückte mich auf den Liegestuhl zurück und nahm ihre Tasche. »Bin sofort wieder da.«
    Ich sah ihr nach, bis sie hinter den Büschen verschwunden war. In solchen Momenten war ich so glücklich wie jemand aus einem Werbespot, in dem alle so hallelujaglücklich sind, dass man am liebsten brechen würde. Ich schloss die Augen und träumte weg.
    »Liegestuhlservice.« Val stellte das Tablett auf den Boden. Neben den Flaschen und Gläsern lag ein Geldbeutel.
    »Das ist doch nicht deiner?«, fragte ich.
    »Nein, von der Frau, die beim Pool saß. Sie hat ihn an der Bar liegen lassen.« Vals Augen bettelten. »Würdest du ihn vielleicht schnell zurückbringen?«
    »Du kannst ihn doch auch an der Rezeption abgeben?«
    »Das ist nicht nötig, ich weiß ihre Zimmernummer. Die Frau ließ das Getränk auf ihre Rechnung setzen.«
    »Schön blöd, da hätte sie den Geldbeutel ja noch nicht einmal gebraucht!«
    »Nein, na ja. Was weiß ich?« Val warf die Hände in die Luft. »Sie hat ihn jedenfalls vergessen. Ich wollte ihr noch nachlaufen, aber ich war gerade an der Reihe mit dem Bestellen, also…«
    »Also?«
    Sie zog mich vom Liegestuhl hoch. »Jetzt geh doch mal schnell, bevor sie sich furchtbare Sorgen macht. Zimmernummer 27.«
    »Okay, okay.« Ich schlüpfte schnell in Jeans und T-Shirt – die Frau könnte sonst auf seltsame Gedanken kommen, wenn ein fremder junger Mann nur mit einer Badehose bekleidet vor ihrer Tür stand – und nahm den Geldbeutel vom Tablett.
    Bevor ich hinter den Büschen verschwand, schaute ich mich noch einmal um. Val saß auf dem Liegestuhl und war in ein Telefongespräch vertieft. Ich ging weiter, am Pool vorbei. Die älteren Leute lagen noch immer in der prallen Sonne. Das Mädchen auf der Luftmatratze hatte sich vom Rücken auf den Bauch gedreht. Eine Frau mit Badekappe zog Bahnen.
    Bei der Bar war es ruhig. Ein einziger Mann saß an der Theke und trank einen Saft und der Barmann spülte Gläser.
    Ich betrat das Hotel durch die offen stehenden Türen. Kurz erwog ich noch, den Geldbeutel doch an der Rezeption abzugeben, aber das Mädchen saß nicht hinter dem Tresen. Ich nahm die Treppe in den zweiten Stock mit zwei Stufen zugleich und folgte der Beschilderung. Die Zimmer 25 bis 29 gingen links ab.
    Der Gang war wie ausgestorben. Keine Zimmermädchen, keine Reinigungswagen. Ich sah nach den Nummern auf den Zimmertüren. 25, 26… Hier war es. Die Tür stand einen Spalt offen.
    Ich klopfte. »Hola!«
    Keine Antwort.
    Ich klopfte noch einmal, diesmal fester. Die Tür gab nach und der Spalt wurde breiter, so groß, dass ich hindurchschauen konnte. Ich wurde ziemlich nervös. Auf dem Boden lag jemand und rührte sich nicht.
    Ich drückte die Tür jetzt ganz auf und ging hinein. Es war eine Frau in einem weißen Bademantel. Ich hoffte, dass sie schlief, aber sie gab keinen Ton von sich.
    Manche Menschen wissen in Stresssituationen sofort, was sie tun müssen. Puls prüfen, Erste Hilfe leisten, beatmen, Herzmassage, kein Problem. Meine Mutter ist so jemand. Leider habe ich auf dem Gebiet die Gene meines Vaters geerbt; in Notfällen bin ich augenblicklich handlungsunfähig. Natürlich wusste ich auch, dass es
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