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Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Shari Low
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würde anderen Menschen helfen.«
    Mein spontaner Gedanke: Ich kann doch nicht über mein Leben schreiben. Das tun nur alte Leute. Oder Narzissten. Oder Fußballerfrauen. Oder die Teilnehmer von Realityshows, die sich vor laufender Kamera die Unterhose runtergezogen haben und fünfzehn Minuten lang berühmt waren. Und außerdem, worüber sollte ich schreiben?
    Ich führe ein ziemlich unspektakuläres Leben, trinke zu viel, esse zu viel, lache, bis mir der Bauch wehtut, und war schon so oft verliebt, dass Hallmark mein Hauptsponsor sein könnte.
    Oh ja, und ich habe Hautkrebs.
    Janice stellte den Kessel ab, den sie in der Hand hielt, und wartete auf meine Antwort, während ich die Teller von dem großen runden Esstisch abräumte.
    »Das kann ich nicht. Wer sollte sich denn dafür interessieren?«
    »Die Leute, die hierherkommen.«
    »Hier« war ein Begegnungszentrum für Krebspatienten. Hier bekamen sie einen Kaffee, Tipps, eine Massage oder einfach nur Gesellschaft, damit sie sich nicht so allein fühlten. Seit ich die befreiende Diagnose ein Jahr zuvor bekommen hatte, arbeitete ich ehrenamtlich mit und bot einmal in der Woche kostenlos meine Dienste als Friseurin an. Manchmal schnitt ich den Patienten und Patientinnen die Haare, manchmal half ich ihnen, sich an die neue Perücke zu gewöhnen, die sie sich gekauft hatten, um die Folgen der Chemotherapie zu verstecken. Manchmal hörte ich einfach nur zu, wenn sie redeten.
    Janice war dreiundzwanzig und eine der wenigen Festangestellten. Sie hatte als Kind Leukämie gehabt und soziale Kompetenzen entwickelt, die weit über die ihrer Altersgenossen hinausgingen. Obwohl sie schon mehr Leid erfahren hatte als manch doppelt so alter Mensch, kam sie jeden Tag mit einem Lächeln her, bereit zu helfen. Janice hatte auch den gemeinsamen Pub-Besuch am Abend zuvor organisiert, nachdem ich erfahren hatte, dass meine erste jährliche Kontrolle ohne Befund gewesen war. Mir tat immer noch der Kopf weh.
    »Glaubst du wirklich?« Ich war nicht überzeugt, dass sich jemand für das, was ich erlebt hatte, interessieren könnte. Aber ich musste gestehen, dass sich in den letzten Monaten in meinem Kopf eine Idee festgesetzt hatte. »Allerdings … ich denke manchmal, dass ich etwas für Cassie aufschreiben sollte, damit sie versteht, wenn sie älter wird.«
    Hatte ich das gerade laut gesagt? Nein, das war eine verrückte Idee. Warum sollte sie mein Leben interessieren? Sie musste ihr eigenes Leben leben, ihre eigenen Erfahrungen machen.
    »Gibt es denn etwas, das du ihr gern erzählen würdest?«, fragte Janice und stellte die riesige Keksdose in den Schrank zurück.
    Bei dem Gedanken an Cassie konnte ich ein Lächeln nicht verbergen. Mein kleiner Wirbelwind – eine Siebenjährige mit einer Persönlichkeit, die an tropische Wetterverhältnisse erinnerte – sonnig, warm, freundlich, mit gelegentlichen Hurrikans und Tornados, bei denen man am besten die Fenster mit Brettern vernagelte und unter dem Bett wartete, bis sie vorbei waren.
    Tja, was würde ich ihr gern erzählen? Sollte ich ihr raten, sich nicht mit Kleinigkeiten aufzuhalten? Den Augenblick zu genießen? Das Leben bei den Hörnern zu packen und was mir sonst noch so an abgegriffenen Lebensweisheiten einfiel? Ich zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, wie sie mal sein wird, was wichtig für sie sein könnte.«
    Ich wusste, dass ich den Vorschlag absichtlich kleinmachen wollte, aber alles in mir wehrte sich dagegen, die Vergangenheit erneut hervorzuzerren. Ich wollte nichts mehr damit zu tun haben, es war zu viel für meine Psyche.
    Plötzlich veränderte sich Janice’ Gesichtsausdruck.
    »Was hättest du denn gerne gewusst?«, fragte sie.
    »Wann?«
    »Na, als du jung warst.«
    Ich dachte einen Moment nach. Du meine Güte, ich war damals ein Albtraum! Wild. Ungestüm. Immer die Erste auf der Tanzfläche, die Erste, die knutschte, die Erste, die ihr ganzes Taschengeld für Mentholzigaretten ausgab, weil ich mir damit so intellektuell vorkam. Es gab so vieles, was ich damals gern gewusst hätte. So vieles. Zum Beispiel, dass das mit Tom Cruise nie was würde. Dann hätte ich mir Tausende »Lou Cruise«, in verschiedenen Schriften, Farben und Größen in meine Schulhefte gekritzelt, sparen können.
    Genau, aber einige Einblicke in wirklich wichtige Dinge wären auch nicht schlecht gewesen. Unterricht im Leben. Das wäre super gewesen. Ein paar vernünftige, durchdachte Lektionen. Und das ist etwas, das ich
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