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Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Shari Low
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Thema anschnitt. Ja, das war die beste Idee. Zeit gewinnen. Nachdenken. Den besten Moment abpassen, um das schwierige Gespräch zu beginnen.
    »Ginger, wenn mir was passiert, kümmerst du dich dann um Cassie?« Es war raus, ehe der Kellner ihren Slippery Nipple und meinen Cosmopolitan brachte.
    Sie starrte mich an, mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Horror und etwas völlig Unergründlichem lag. Lieber Himmel, es war Angst! Wann hatte ich mich in den Sensenmann verwandelt, der seine Umwelt permanent in Angst und Schrecken versetzte?
    »Natürlich … mache … ich das«, stammelte sie, ehe sie die Fassung wiedererlangte. »Ich besuche sie und gehe mit ihr aus und bringe ihr alles über Jungs bei.«
    »Wenn du ihr beibringst zu rauchen, bevor sie zwölf ist, drehe ich mich im Grab um.«
    Tränen standen in ihren Augen, und ich schluckte schwer. Hier ging es nicht um mich. Hier ging es um Ginger und darum, dass sie sich um Cassie kümmerte, wenn es zum Schlimmsten kam … Gott, es tat so weh, nur daran zu denken!
    »Okay, dann warte ich, bis sie dreizehn ist. Lou, solltest du darüber nicht lieber mit Lizzy sprechen? Ich meine, sie kennt sich da doch viel besser aus als ich. Cassie wäre bei ihr viel besser aufgehoben.«
    »Vor allem, wenn Red sie heiratet«, murmelte ich.
    »Red heiratet Lizzy?« Sie sah mich fassungslos an.
    »Ich hab ihn heute Nacht darum gebeten.«
    Einen Moment herrschte Stille, während sie darüber nachdachte. Dann nahm sie sich ein halbvolles Glas Wein vom Nebentisch, das dort stehen geblieben war, und stürzte es herunter.
    »Du bist völlig wahnsinnig geworden«, lautete ihr Urteil.
    »Das findet dein Bruder auch. Aber weich meiner Frage nicht aus, Ginger! Ich weiß nicht, ob dir klar ist, wie gern Cassie dich hat und wie ähnlich ihr euch seid. Sie wird Lizzy auch immer gernhaben, aber dich braucht sie mehr als jeden anderen, weil du sie verstehst. Zu dir würde sie kommen, wenn sie eine Mum braucht.«
    Plötzlich rollten ihr zwei dicke Tränen über die Wangen, und sie wischte sie mit dem Ärmel ihrer Dolce-&-Gabbana-Jacke ab. Hatte ich erwähnt, dass der Sensenmann von Kleenex gesponsert wird? Ich hatte endlich etwas entdeckt, das die tapferste meiner besten Freundinnen entsetzte – und es war sechs, vorlaut, frech und wollte aktuell Premierminister oder Hundefriseuse werden, wenn es groß war.
    Ein höchst attraktiver, breitschultriger Kellner erschien mit unseren Drinks und besorgtem Blick. Zwei heulende Frauen mitten am Tag waren immer mit Vorsicht zu genießen.
    Nachdem sie einen anständigen Schluck getrunken hatte, räusperte Ginger sich. »Ich kann einfach nicht fassen, dass du mir dein Kind anvertraust. Weißt du nicht mehr, was ich damals mit deinem Hamster angestellt habe?«
    »Schon, aber alles in allem halte ich es für ziemlich unwahrscheinlich, dass du Cassie aus Versehen entfliehen lässt, sie von deinem Nachbarn gekidnappt wird, als Geisel gehalten und gegen ein Lösegeld, bestehend aus drei Schokoriegeln und einem Skateboard, eingetauscht werden kann.«
    Sie hielt ihr Glas hoch. »Dann schwöre ich dir hiermit, dass ich mich bis ans Ende meiner Tage um meine tolle Nichte kümmern werde, sollte es nötig werden. Aber du musst mir auch was versprechen.«
    »Was du willst.«
    »Also gut. Versprich mir, dass ich dieses bescheuerte Kleid nicht wieder tragen muss, falls Red und Lizzy jemals heiraten sollten.«
    Ich stieß mein Glas klirrend gegen ihrs.
    »Ich verspreche es.«
    Eine seltsame Ruhe überkam mich. Cassie würde gut versorgt sein. Red würde klarkommen. Ich hatte mit allen gesprochen, mit denen ich sprechen musste, und ich wusste, wenn es zum Schlimmsten käme, würde meine Familie aufgefangen. Denn ich hatte die tollsten Freundinnen, die man sich nur wünschen konnte.
    »Okay. Und weißt du, was wir jetzt machen?« Ginger sah mich an. »Wir essen jetzt was, und dann trinken wir, bis wir umfallen.«
    Das war die beste Idee, die ich seit langem gehört hatte.

Lektion 145
    Wenn du erwachsen bist, begegne allen Widrigkeiten mit Mut und Stärke – solange deine Tante Ginger mit einem guten Cognac hinter dir steht
    Der Minutenzeiger der Wanduhr rückte weiter auf die nächste halbe Stunde, und ich sah zu, wie ein junges blondes Mädchen, vielleicht Anfang zwanzig, aus dem Sprechzimmer kam. Ihr strahlendes Lächeln ließ darauf schließen, dass sie gute Nachrichten bekommen hatte.
    Ich hätte sie am liebsten umarmt, ihr geraten, sie solle schleunigst verschwinden
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