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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Luft dadurch gleichsam verdickt und verdunkelt ward.
    Aber plötzlich bemerkte Pierre neben dem Thron den Monsignore Nani, der, nachdem er ihn aus der Ferne erkannt hatte, ihm Zeichen machte, näher zu kommen; da er mit einer bescheidenen Geberde ausdrückte, daß er lieber bleiben wolle, wo er sei, beharrte der Prälat auf seinem Willen und schickte einen Saalwärter zu ihm mit dem Befehl, ihm Platz zu machen.
    »Warum begeben Sie sich denn nicht auf Ihren Platz?« fragte er, als der Saalwärter Pierre zu ihm hingeführt hatte. »Ihre Karte gibt Ihnen ein Recht, hier zur Linken des Thrones zu stehen.«
    »Meiner Treu, ich hätte so viele Leute stören müssen, daß ich keine Lust dazu hatte,« antwortete der Priester. »Außerdem ist das zu viel Ehre für mich.«
    »Nein, nein, ich habe Ihnen diesen Platz gegeben, damit Sie ihn einnehmen. Ich wünsche, daß Sie in der ersten Reihe stehen, um alles gut zu sehen und nichts von der Zeremonie zu verlieren.«
    Pierre konnte nicht anders, als ihm danken. Er sah nun, daß mehrere Kardinäle und sehr viele zur päpstlichen Hausgenossenschaft gehörige Prälaten ebenfalls zu beiden Seiten des Thrones stehend warteten. Vergeblich suchte er den Kardinal Boccanera; er erschien in St. Peter oder im Vatikan nur an den Tagen, wo sein Dienst ihn dazu verpflichtete. Aber er erkannte den großen, starken Kardinal Sanguinetti, der sehr laut, mit hochgerötetem Gesicht mit dem Baron von Fouras sprach. Einen Augenblick trat Monsignore Nani wieder zu ihm, um ihm mit seiner gefälligen Miene zwei andere Eminenzen, zwei wichtige und mächtige, hohe Persönlichkeiten, zu zeigen: den Kardinalvikar, einen dicken, kurz gewachsenen Mann, mit fieberhaftem, von Ehrgeiz verzehrtem Gesicht, und den robusten, knochigen, gleichsam wie mit einer Hacke zugehauenen Kardinalsekretär. Dieser besaß den romantischen Typus eines sizilianischen Banditen, der sich für die diskrete und lächelnde, kirchliche Diplomatie entschieden hat. Wenige Schritte weiter, ganz abseits, stand der Großpoenitentiarius, schweigsam, mit einer leidenden Miene, mit einem grauen und mageren Asketengesicht.
    Es hatte zwölf geschlagen. Plötzlich entstand eine falsche Freude, eine Bewegung, die wie eine tiefe Woge aus den zwei anderen Sälen hervordrang. Aber es waren nur die Thürhüter, die die Menge zurückdrängten, um für den Papst einen Durchgang frei zu machen. Da mit einemmale ertönten aus dem ersten Saale Zurufe, die wuchsen und näher kamen. Diesmal war es wirklich der Zug.
    Zuerst kam eine Abteilung der Schweizer Wache, von einem Sergeanten geführt – dann die Sesselträger in Rot – hierauf die Hofprälaten, darunter die vier bestallten Geheimkämmerer. Zuletzt schritt zwischen zwei Reihen Nobelgardisten in halber Gala ganz allein der heilige Vater, schwach lächelnd, rechts und links den Segen spendend. Mit ihm zugleich war der aus den Nebensälen aufsteigende Lärm in die Sala dei Beatificazione gedrungen; die Leidenschaft der Liebe schwoll zum Wahnsinn an, und unter der zarten, segnenden weißen Hand waren alle diese verstörten Geschöpfe auf beide Kniee niedergesunken. Auf dem Boden war nichts mehr zu sehen als zerschmettertes, wie durch das Erscheinen Gottes vernichtetes, frommes Menschenvolk.
    Hingerissen, war Pierre zugleich mit den anderen erbebt und auf die Kniee gefallen. Ach, diese Allmacht, diese unwiderstehliche Ansteckungskraft des Glaubens, des furchtbaren Odems von Jenseits, die sich in einer Dekoration und einem Pomp von majestätischer Grüße verzehnfachten! Dann, als sich Leo XIII., von den Kardinälen und seinem Hofe umgeben, auf den Thron gesetzt hatte, entstand tiefe Stille; und von nun an entwickelte sich die Zeremonie dem Brauch und Ritus gemäß. Zuerst sprach knieend ein Bischof, um die Huldigung der Getreuen der gesamten Christenheit Seiner Heiligkeit zu Füßen zu legen. Ihm folgte der Präsident des Komites, der Baron von Fouras; er verlas stehend eine lange Rede, in der er den Pilgerzug vorstellte, dessen Absichten erklärte und ihm den ganzen Ernst einer zugleich politischen und religiösen Demonstration verlieh. Dieser dicke Mann hatte eine dünne, schneidende Stimme, die wie ein Nagelbohrer knirschte; er sprach von dem Schmerze der katholischen Welt über die Beraubung des Heiligen Stuhles, unter der dieser seit einem Vierteljahrhundert litt, von dem Willen aller hier durch Pilger vertretenen Völker, das höchste und verehrte Haupt der Kirche zu trösten, indem sie ihm den
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