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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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dem wilden Boden hängen geblieben ist und von den paar Jahren des Theologiestudiums nur wenig geschliffen wurde – schienen einzig die Augen zu leben. Sie leuchteten mit einer dunklen, verzehrenden Flamme der Leidenschaft.
    Als Prada ihn so entschieden, so ruhig dasitzen sah, überlief ihn ein leiser Schauer. Dann sagte er, sobald die Viktoria wieder über die ganz gerade und endlose Straße rollte:
    »Nun, Abbé, das war ein Glas Wein, das uns gegen die böse Luft schützen wird. Wenn der Papst es uns nachthun könnte, würde er sicherlich von seinen Koliken genesen.«
    Aber Santobono gab statt aller Antwort nur ein dumpfes Murren von sich. Er wollte nicht mehr sprechen und schloß sich, wie von der herannahenden, trägen Nacht überkommen, in ein vollständiges Schweigen ein. Prada schwieg ebenfalls, indem er die Augen auf ihn gerichtet hielt und sich fragte, was er thun solle.
    Die Straße beschrieb eine Wendung, dann rollte der Wagen immer weiter und weiter über eine endlose Chaussee, deren weißes Pflaster sich in einer Linie bis ins Unendliche zu ziehen schien. Diese weiße Straße nahm jetzt eine Art Leuchten an und entrollte ein schneeiges Band, während die ungeheure Campagna zu beiden Seiten nach und nach in einen feinen Schatten versank. In den Höhlungen der riesigen Wellen des Bodens häufte sich die Finsternis an; eine lila Flut schien sich davon auszubreiten, bedeckte überall das niedrige Gras und erweiterte die Ebene ins Unabsehbare, wie ein entfärbtes Meer. Alles verschmolz; es war nichts mehr da als die undeutliche, neutrale Schlagwelle von einem Ende des Horizonts zum andern. Die Wüste hatte sich wieder geleert; der letzte Karren fuhr träge vorüber, das letzte Klingeln heller Glöckchen verhallte in der Ferne, kein Wanderer, kein Tier war mehr zu sehen, Farben und Töne starben, alles Leben versank in Schlaf, in den heitern Frieden des Nichts. Rechts zeigten sich noch immer da und dort Bruchstücke einer Wasserleitung; sie glichen Schwanzstücken von Riesentausendfüßern, die die Sense der Jahrhunderte abgeschnitten hat. Dann kam links abermals ein Turm, dessen hohe, düstere Ruinen den Himmel wie mit einem schwarzen Pfahl versperrten; andere Stücke von Wasserleitungen übersetzten die Straße und kamen auf dieser Seite, indem sie sich von der untergehenden Sonne abhoben, zu ungeheurer Geltung. Ach, diese unvergleichliche Stunde – die Dämmerstunde in der römischen Campagna, wenn alles darin verschwimmt und sich vereinfacht, die Stunde der nackten Unermeßlichkeit, der Unendlichkeit und Einfachheit! Nichts, nichts ist zu sehen als die runde, flache Linie des Horizontes, nichts als der Fleck, den eine vereinzelte aufrechtstehende Ruine bildet, doch dieses Nichts ist von erhabener Majestät und Größe.
    Aber da unten, links, gegen das Meer zu, ging die Sonne unter. Wie eine glühende, blendend rote Kugel senkte sie sich an dem reinen Himmel. Sie tauchte langsam hinter den Horizont und man sah keine anderen Wolken als Feuerdämpfe, als ob das ferne Meer plötzlich bei der Flamme dieses königlichen Besuches aufgekocht wäre. Gleich darauf, als die Sonne verschwunden war, wurde dieser Winkel des Himmels von einer Blutlache gerötet, während die Campagna grau wurde. Am Ende der entfärbten Ebene war nichts mehr vorhanden als dieser Purpursee, dessen Glut man allmälich hinter dem schwarzen Bogen der Wasserleitung ersterben sah; auf der andern Seite hoben sich die zerstreuten, noch rosa Bogen hell von dem zinnfarbenen Himmel ab. Dann verzogen sich die Feuerdämpfe, und der Westen erlosch vollends in tiefer, wilder Schwermut. An dem beruhigten, nun aschblauen Firmament entzündete sich ein Stern nach dem andern, während die Lichter des noch fernen, gegenüber, gleich mit dem Horizont befindlichen Rom wie Leuchtfeuer funkelten.
    Und inmitten der nachdenklichen Stille seiner beiden Gefährten, inmitten der unendlichen Trauer des Abends fuhr Prada, selbst von unsagbarer Angst ergriffen, fort, sich zu fragen, was er thun solle. Seine Augen wichen nicht von Santobono; das Gesicht des Pfarrers versank in der Nacht, aber er saß ruhig da und ließ seinen großen Körper vom Wagen schaukeln. Er wiederholte sich, daß er die Leute nicht derart vergiften lassen könne. Die Feigen waren sicherlich für den Kardinal Boccanera bestimmt, und eigentlich lag ihm wenig an einem Kardinal mehr oder weniger an einem möglichen Papst, dessen künftige, historische Wirksamkeit schwer vorauszusehen war. Bei
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