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Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse

Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse

Titel: Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse
Autoren: Hans Warren
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geflüchtet.  
      Vor einem solchen Knaben fallen die Priester nieder, heben ihn aus den Lumpen, mit denen er vielleicht bekleidet ist, hüllen ihn in ihre weiten Kutten und bringen ihn in eine einsame Gegend, wo er verehrt wird und den besten Unterricht genießt, den man sich denken kann. Hier bleibt der junge Gott, der neue Dalai-Lama, bis ihn das gesetzliche Alter zur Wiederkunft verpflichtet. So ist es schon wiederholt geschehen, daß Jugendliche im Alter von sechzehn Jahren als Dalai-Lama verehrt wurden und das ganze Tibet beherrschten."  
      „Diese Lehre," meinte Rolf bedächtig, „ist wohl auch der Grund, daß ein Menschenleben in Tibet nicht weiter geachtet wird, denn im Grunde ist der Körper eben nur die Hülle für die Seele, die sich, wenn der Körper stirbt, sofort einen neuen Wohnsitz sucht. Einen endgültigen Tod gibt es nach Ansicht der Tibetaner ja überhaupt nicht. Die höchste Strafe für sie ist es, wenn eine Seele verdammt wird. Dann muß sie in ewiger Unrast in der Luft umherirren und findet keinen Körper, der sie aufnimmt oder von dem sie Besitz ergreifen darf."  
      „Um auf die ,Toten-Lamas" zurückzukommen, Herr Torring," sagte Professor Kennt wieder, „so sind Sie der Meinung, daß sie auf dem Pfad ihr Unwesen treiben könnten, auf dem wir uns befinden. Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, sollen es die Seelen solcher Lamas sein, die im Laufe der Zeit verdammt wurden und keine Ruhe, also keinen neuen Körper finden."  
      „So ungefähr hat der alte Mönch es ausgelegt, Herr Professor," antwortete Rolf. „Ich persönlich bin jedoch der Ansicht, daß sich hier Banden der ,Hunghutzen' herumtreiben. Das sind Gesellschaften schlechter Menschen, die hin und wieder in den Hauptquartieren großer Handelsgesellschaften auftauchen, ihren Tribut verlangen und nach Erhebung dieses Zolls zu den Beschützern des Gebietes werden. In Klöstern sollen sie auch schon erschienen sein. Für das alte Kloster, nach dem wir unterwegs sind, wird wahrscheinlich eine solche Bande in genau der gleichen Weise zum Beschützer geworden sein."  
      „Davon habe ich auch schon gehört, Herr Torring," nickte Professor Kennt. „Sie können mit Ihrer Auffassung durchaus recht haben."  
      Die Nacht war unterdessen hereingebrochen. Wir saßen völlig im Dunkeln, konnten aber den Eingang der Höhle deutlich erkennen. Maha lag noch vor der Höhle, er würde die Ankunft oder schon die Annäherung jedes Fremden melden.  
      „Wann meinen Sie das Kloster zu erreichen, Herr Torring?" fragte Professor Kennt weiter. „Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wie Sie hineingelangen können? Ich nehme als sicher an, daß es streng behütet wird."  
      „Sie mögen recht haben, Herr Professor. Andererseits steht aber fest, daß die größte Wachsamkeit allmählich einschläft, mindestens nachlässt, wenn sich in einer Gegend wie dieser jahrelang kein Mensch sehen läßt. Darauf baue ich. Ich bin fest entschlossen, nicht eher umzukehren, als bis es uns gelungen ist, das Kloster von innen zu sehen."  
      „Achtung, Massers!" rief Pongo plötzlich ganz leise.  
      Im fahlen Scheine des Mondes sah ich, als ich zum Höhleneingang blickte, daß auch Maha den Kopf leicht gehoben hatte und den Körper duckte, als wenn er sofort zuspringen wollte.  
      Maha wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger. Unwillkürlich nahmen wir die Pistolen in die Hand. Aber merkwürdigerweise konnten wir uns nicht erheben. Starr blickten wir nach dem Eingang hin und sahen — eine hohe Gestalt, die — ohne einen Blick in die Höhle hineinzuwerfen — langsam auf dem schmalen Gebirgspfad vorüber schritt. Die Gestalt trug einen langen, weißen, bis zu den Knöcheln reichenden Umhang.  
      Maha war nicht auf die Gestalt los gesprungen, sondern blieb in geduckter Haltung und zog sich kriechend etwas in den Höhleneingang zurück. Wir selbst konnten die Arme nicht bewegen, sie waren wie gelähmt. Mir kam es vor, als ob ich im Augenblick keinen eigenen Willen hätte.  
      Mindestens zwei Minuten saßen wir noch wie versteinert und schweigend da. Dann sprang ich fast gleichzeitig mit Rolf auf und eilte zum Eingang. Wir hatten die Gestalt deutlich nach links verschwinden sehen und wollten hinter ihr her. Weit konnte sie unmöglich sein, aber obwohl wir schnell liefen, erblickten wir keinen Menschen.  
      „Komm zurück, Hans! Es hat keinen Zweck!" rief Rolf plötzlich. „Wir stürzen schließlich noch in den
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