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Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse

Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse

Titel: Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse
Autoren: Hans Warren
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nur einer der alten Bräuche des Klosters, wie mir Professor Hunter berichtete."  
      Wir schwiegen eine Weile, dann fragte ich: „Du meinst, daß dieser Pfad zu dem geheimnisvollen Kloster führt?"  
      „Der alte Mönch hat nur behauptet, daß man über den beschwerlichen Pfad, den wir geritten sind, dahin gelangt. Ob der Pfad wirklich unmittelbar auf das Kloster zuführt, weiß ich nicht."  
      „Hat Professor Hunter sonst noch etwas von dem Pfad erzählt?" wollte Professor Kennt wissen.  
      „Ja, der alte Mönch hat ihm weiter berichtet, daß der Pfad von ,Toten-Lamas' beschützt würde, die keinen Fremden den Weg zu Ende gehen ließen. Allen Überlieferungen nach soll es sich um eine Art Geisterzug handeln, der alle Fremden aufhält und, wenn sie nicht freiwillig den Rückzug antreten, vernichtet."  
      Ich mußte an meine Beobachtung denken, schwieg aber.  
      Dann begann Rolf wieder:  
      „Wir alle kennen die Geschichte Tibets und wissen, daß der Dalai-Lama das Land regiert, der in Lhasa im Felsenkloster Potala seinen Regierungssitz hat. Die Lamas sind ihm untergeordnet, sie werden in rote und weiße, in schwarze und gelbe eingeteilt. Die roten sind die freiesten unter den Mönchen, ihnen ist sogar erlaubt zu heiraten. Die weißen Mönche leben zu tausend oder mehr in einem Kloster zusammen und leiern immerfort Gebete ab, die sie sich bezahlen lassen. Die sich immer wiederholende Formel lautet: ,O ma ne päd me hum'. Sie soll bedeuten: ,Oh Edelstein im Lotos. Amen.' Nach Tschandra soll sie bedeuten: ,Das Tor der Wiedergeburt ist geschlossen'."  
      „Sie kennen den Glauben der Tibetaner doch so weit, daß Ihnen bekannt ist, daß nach ihrer Lehre die Seelen von Geschöpf zu Geschöpf wandern," meldete sich Professor Kennt wieder zu Worte. „Die Lehre von der Seelenwanderung ist die einzige Erklärungsmöglichkeit für den seltsamen Kultus und die oft noch seltsameren Riten, die auf dem höchsten Gipfel der Erde herrschen, der bewohnt wird. Die Annahme, daß die Seele, die einen sich auflösenden Körper verlässt, sich einen neuen Sitz sucht, in dem sie fortdauert, erlaubte die Anbetung eines Menschen, auf den sich die Fülle des göttlichen Geistes herabgelassen habe."  
      „Das müssen Sie deutlicher erklären," warf ich ein.  
      „In Tibet selbst ist der Mensch der Dalai-Lama. Er ist kein Stellvertreter der Gottheit wie etwa der Papst, sondern die Hülle der Gottheit selbst, die sich in ihm ihren Platz gesucht hat. Er ist damit der Schöpfer und Erhalter der Erde, der Lenker der Himmelsbahnen, der Spender der Lebenslose, der Richter über gute und böse Handlungen aller Menschen.  
      Die Tibetaner sehen die Hülle ihrer Gottheit sterben, aber solange der Körper von dem Geiste bewohnt wird, der ihnen das Höchste dünkt, unterscheiden sie das Äußere und das Innere nicht mehr, sondern halten die Hülle der Gottheit als von ihr durchdrungen; sie wird hinein getaucht in den unsterblichen Glanz der Seele. Das ist nicht ganz leicht zu begreifen. Wirklich begreifen können wir diese Lehre vielleicht überhaupt nicht, wir können nur versuchen, mit Verstandeskräften einen Eindruck zu gewinnen, wie die Tibetaner sich das alles vorstellen.  
      Wenn der Gott seines Körpers überdrüssig wird und ihn verlässt, stirbt der Dalai-Lama. Ein erfahrener Mensch sorgt einstweilen für den Gott, indem er ihn vertritt. Dann muß ein neuer Körper gesucht werden, der sich für die Aufnahme der göttlichen Seele eignet.  
      Die Priester lauschen, wohin sich die entschwundene Gottheit ,geflüchtet' hat. Sie untersuchen die Geisteskräfte Tausender tibetanischer Kinder, bis sie ein Kind finden, das so lebhaft, so aufgeschlossen, so voller Empfänglichkeit für die Eindrücke der Außen-und Innenwelt und so voller Geistesschärfe ist, daß sie annehmen können, in diese neue Hülle habe sich die Gottheit zurückgezogen.  
      Ein Kind, das nach einem halben Jahre schon laufen kann, mit dem vollendeten ersten Lebensjahr alle Zähne hat und die Namen des Vaters und der Mutter aussprechen kann, ein Knabe, der mit drei Jahren die vier Arten der Mönche unterscheiden kann und mit vier Jahren eine leserliche Handschrift schreibt, der im sechsten Jahre Antworten gibt und Urteile fällt, die eines Erwachsenen würdig sind, in einem solchen Kinde glauben die Lamas ihren Gott wiederzufinden, in diesen Körper — meinen sie — hat sich der Gott, des alten, verbrauchten Körpers überdrüssig,
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