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Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse

Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse

Titel: Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse
Autoren: Hans Warren
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daß es sich da oben um einen Menschen aus Fleisch und Blut handelte. Sollten wir hier einen der Mönche vor uns haben, der die letzten Lebensjahre bewegungslos bei Tag und Nacht, im Winter und im Sommer in der Einsamkeit verbrachte, ohne sich je zu regen?  
      „Wollen wir uns den Mönch aus der Nähe ansehen?" fragte ich Rolf.  
      „Weißt du auch, daß du damit die Bergkuppe entheiligen würdest?" fragte Rolf zurück.  
      „Ein Stück näher können wir aber noch herangehen," meinte ich.  
      Auch der Professor war meiner Ansicht.  
      „Hier führt sogar ein gangbarer Weg zur Höhe," sagte er.  
      Da es ziemlich warm geworden war, ließen wir das wenige Gepäck, das wir noch bei uns hatten, an der Abzweigung des Pfades zurück, wo sich eine kleine Höhle wie ein Trichter in den Felsen hineinbohrte. Unbeschwert konnten wir den Anstieg beginnen.  
      Langsam schritten wir bergan. Professor Kennt war ein Stück zurückgeblieben. Nach einer Stunde waren wir nahe an den Mönch herangekommen. Pongo nahm Maha ganz kurz an der Lederleine.  
      In einer gewissen Entfernung blieben wir stehen, denn eine Scheu hielt uns davon ab, dicht an den Mönch, der sicher als Heiliger galt, heranzutreten. Er stand übrigens nur auf einem Bein, während er den Unterschenkel des anderen Beines nach hinten geknickt hatte, so daß er waagerecht in die Luft ragte. Die Arme waren gen Osten gereckt, die Finger beider Hände gespreizt. Ein langer, weißer Bart wallte dem Alten bis zum Gürtel, an dem eine Kürbisflasche hing. Seine Gestalt umhüllte eine Mönchskutte, auf dem Haupte trug er den tibetanischen Mönchshut.  
      Wir schauten in stiller Verwunderung, ja, fast in Andacht lange Zeit auf den Mönch, an dem ich nicht die geringste Bewegung wahrnahm. Seine Augen waren ins Weite gerichtet und würdigten uns keines Blickes.  
      Dann blickte ich in die Runde. Tief unter mir bemerkte ich einen See. Das kannte nur der Gutsa-See sein, der das Ziel unserer Reise darstellte. Ganz in der Nähe, zwischen Felsen, lag ein Kloster, wohl das "Kloster der eingemauerten Mönche".  
      Ich machte durch Handbewegungen Rolf, den Professor und Pongo auf See und Kloster aufmerksam. Sie nickten, sagten aber kein Wort. Wir wollten die Stätte, die geweiht war, durch keinen menschlichen Laut entheiligen.  
      Schweigend stiegen wir wieder abwärts und nahmen unten unsere Sachen auf.  
      Wir waren schon mindestens fünfhundert Meter weitergewandert, als Professor Kennt sagte:  
      „Man sollte es nicht glauben, einfach nicht für möglich halten, daß ein lebendiger Mensch die Kraft des Körpers und vor allem die Willensstärke aufbringt, tagelang, wochenlang, monatelang auf einem Bein da oben zu stehen."  
      „Der Mönch machte ganz den Eindruck, als stände er schon sehr Lange an der gleichen Stelle," fügte Rolf hinzu.  
      Wieder schwiegen wir, bis der Professor fragte: „Haben Sie schon einen Plan, wie wir in das Kloster am Gutsa-See hineinkommen?"  
    „ Nein," gestand Rolf offen.
      „Irgendwie wird der Augenblick es ergeben," meinte ich. "  
      Da der Pfad in sanfter Senkung bergab führte, konnten wir rüstig ausschreiten. Bald erblickten wir unter uns seitlich den Gutsa-See, während das Kloster durch vorspringende Felsen verdeckt blieb.  
      Um die Mittagszeit legten wir eine Pause von einer Stunde ein. Zu essen und zu trinken konnten wir uns nichts bereiten, da wir keine Vorräte mehr hatten. Dann marschierten wir weiter und sahen am späten Nachmittag den See nur noch fünfzig Meter unter uns liegen. Rolf war der Meinung, daß wir hier den Pfad verlassen müßten, wenn wir zum Kloster gelangen wollten.  
      „Hat der Mönch Professor Hunter nicht beschrieben, Rolf, wie der Weg von hier weitergeht?" fragte ich.  
      „Nein! Der Mönch sagte Professor Hunter nur, daß dieser Weg zum Gutsa-See führe und daß das Kloster in der Nähe des Sees liege. Den richtigen Pfad müssen wir selbst finden."  
      „Es wird bald Abend," stellte Kennt fest.  
      „Willst du dich bei Nacht dem Kloster nähern?" fragte ich meinen Freund.  
      „Bei Tage würden wir vielleicht nicht herankommen. Ob wir natürlich nachts gleich einen Eingang finden, ist fraglich."  
      Professor Kennt hatte einen Einfall, den er uns mit knappen Worten darlegte:  
      „Die Mönche brauchen Wasser, um zu leben, meine Herren. Von der Höhe aus konnte ich sehen, wie der Gebirgsbach auf der einen Seite in das
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