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Rolf Torring 119 - Doktor Tjus Karawane

Rolf Torring 119 - Doktor Tjus Karawane

Titel: Rolf Torring 119 - Doktor Tjus Karawane
Autoren: Hans Warren
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„Ich soll die Herren zu Doktor Tju führen," sagte er mit einer tiefen Verbeugung. „Ich heiße Ho Jun und kenne alle Leute in Fu Tschou. Ich will die Herren gern führen."  
      Wir machten uns sofort ausgehfertig und wanderten ohne Pongo, der hier zu sehr aufgefallen wäre, hinter dem Boy her, der den Weg über die „Brücke der zehntausend Zeitalter" einschlug. Die Brücke ist eine kleine Sehenswürdigkeit. Die eine Seite wird fast vollständig von hölzernen Verkaufsständen eingenommen, in denen alle möglichen Gegenstände feilgeboten werden. Auf der anderen Seite hatten wir einen wundervollen Blick auf das Wasser, das von unzähligen, kleinen und großen Dschunken und Sampans belebt war. Auch Fahrzeuge europäischer Bauart schwammen dazwischen herum. Im Hintergrunde von Fu Tschou ragen hohe Berge gen Himmel, wir ahnten in dem Augenblick noch nicht, daß wir sie noch ganz aus der Nähe kennen lernen würden.  
      Wir beobachteten eine Anzahl Fischer auf dem Min-Fluß, die Kormorane, rabenähnliche, gezähmte Vögel, zum Fischen benutzten. Die Vögel werden jung mit der Leimrute gefangen und zum Fischen abgerichtet. Man schätzt sie sehr, da sie klug und gehorsam sind, und weil die Vögel ein Alter bis zu zwanzig Jahren erreichen, hat jedes Tier einen erheblichen Wert für den Besitzer. Jeder Kormoran kennt sozusagen seine Nummer, er weiß genau, wann die Reihe an ihm ist, einen Fisch im Wasser zu packen. Die Arbeitsleistung eines Kormorans ist sehr verschieden. In drei Stunden, die die Fischer meist täglich unterwegs sind, bringen gute Kormorane etwa einhundertfünfzig Fische zum Boot ihres Besitzers.  
      Die Fischerei mit dem Kormoran wird nicht nur an der Küste betrieben, sondern auch auf den Flüssen. Der Fischer verzichtet hier gelegentlich sogar auf die Benutzung eines Bootes, ein kleines Floß genügt ihm. Er reicht dem Vogel ein Netz hin, in das er seine Beute legt. Ein Stückchen Bohnenkäse oder Fleisch belohnt den Kormoran für seine fleißige Arbeit. Wenn gelegentlich ein Fisch für einen einzigen Kormoran zu schwer ist, kommt ihm ein anderer Vogel zu Hilfe. Der Name Kormoran stammt aus dem Portugiesischen: Cuervo marino bedeutet „Meerrabe": die chinesische Bezeichnung ist Lu Ssu.  
      Wir sahen längere Zeit den mit Kormoranen arbeitenden Fischern zu und hatten unsere Freude an der fleißigen Arbeit der Vögel. Langsam schlenderten wir weiter, sahen uns hier und da an den Verkaufsständen die ausgestellten Dinge an und kümmerten uns um unseren kleinen Führer nicht weiter. Wir wußten, daß er uns nicht aus den Augen ließ, denn er hatte ja noch keinen Botenlohn von uns erhalten.  
      Fast eine halbe Stunde lang waren wir auf der Brücke gewesen. Als wir Fu Tschou betraten, veränderte sich das Bild mit einem Schlage. Überall lungerten Bettler umher, und sogar den alten „Holzkragen" für „kleine Sünder", die sich gegen irgendwelche Gesetze vergangen hatten, konnten wir noch erblicken.  
      Ho Jun blieb jetzt stets in unserer Nähe. Als wir einmal in eine Seitengasse abbiegen wollten, kam er schnell heran und sagte höflich:  
      „Meine Herren, Sie müssen sich beeilen, Doktor Tju nicht lange zu sprechen."  
      „Dann bring uns mal rasch hin!" lachte Rolf, der sofort erkannte, daß es dem Chinesenboy zu langweilig wurde, so nebenher zulaufen und noch kein Trinkgeld erhalten zu haben.  
      Der Bengel führte uns durch verschiedene winklige Gassen. Ich wollte schon verwundert aufbegehren und meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß Doktor Tju bestimmt nicht in den alten, schäbigen Häusern wohnen könnte, als wir plötzlich vor einem schon in der Fassade prächtigen Gebäude standen, das gar nicht in die kleine Seitenstraße paßte. Ein großer, aus Stein gehauener Drachen stand neben der Tür, gleichsam als Wache, um Fremden den Eintritt zu verwehren.  
      „Hier wohnt Doktor Tju, meine Herren," meinte der Kleine und streckte bittend die hohle Hand aus.  
      Rolf legte ein paar kleine Münzen hinein, die sich der Junge erst genau betrachtete, ehe er einen Freudensprung tat und — verschwand. Auf dem Rückweg brauchten wir ja seine Begleitung nicht mehr.  
      Rolf musterte das Gebäude genau, das einen stattlichen Eindruck machte. Doktor Tju schien ein wohlhabender Mann zu sein.  
      „Eigenartig," sagte ich, „das schöne Haus zwischen den alten Kästen in der nicht gerade vornehmen Straße."  
      Rolf setzte den Gong an der Tür in Bewegung. Gleich
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