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Rolf Torring 003 - Gelbe Haie

Rolf Torring 003 - Gelbe Haie

Titel: Rolf Torring 003 - Gelbe Haie
Autoren: Hans Warren
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nicht behaglich zumute war. Gewiß, meines Schusses war ich völlig sicher, aber jetzt war die Situation doch fast aussichtslos. Wenige Meter vor mir die riesige Bestie, die sich langsam zum Sprung anschickte, rechts und links dichtes Gestrüpp, in das ich nicht entweichen konnte, und hinter mir die Holländer, die ein Zurückspringen unmöglich machten.
    Und wenn meine Kugel auch das Auge des Tigers traf, so hatte er doch sicher noch Kraft genug, um mich niederzureißen und im Todeskampf zu töten. Diese Erwägungen zogen blitzschnell durch meinen fiebernden Sinn, während ich - äußerlich fest und ruhig - mein Ziel suchte.
    Da entstand eine leise Bewegung hinter mir, und im nächsten Augenblick berührte eine Hand meinen Arm. „Drücke dich etwas seitwärts in die Büsche", flüsterte Rolf, „dann nimmst du das rechte, ich das linke Auge." Jetzt auch innerlich völlig beruhigt, preßte ich mich so weit in einen Bambusstrauch, daß Rolf neben mich treten konnte. An Schießfertigkeit übertraf er mich ganz beträchtlich, und so wollte ich ihm ein möglichst weites Feld geben.
    Langsam duckte sich jetzt der Tiger zum Sprung nieder. Wir wußten, daß er jetzt erst die Augen fast völlig schließen und dann - kurz vor dem Sprung - weit aufreißen würde. Dann war unser Augenblick zum Abdrücken gekommen.

    Sekunden verstrichen in atemloser Spannung. Jetzt schloß die Bestie die funkelnden Augen bis zu kleinem Spalt - gleich würden wieder die grünfunkelnden Sterne aufleuchten und im nächsten Augenblick der Sprung erfolgen. Da wurden wir unsanft zur Seite geschoben. „Nicht schießen, Massers" knurrte die Stimme Pongos. „Feinde hinter uns. Pongo wird ,Sabaa' töten." Blitzschnell kam mir der Gedanke, daß Pongo wohl nicht lange auf Sumatra sein konnte, da er den Tiger als Sabaa, das heißt Herdenwürger, bezeichnete: ein Name, den die Araber dem Löwen gegeben haben. Und gleichzeitig war es auch ein Beweis, daß er weit herumgekommen sein und wohl unbedingt längere Zeit bei arabischen Stämmen verbracht haben mußte (diese Mutmaßung bestätigte sich auch, als wir später Näheres über sein Leben erfuhren). Aber jetzt war keine Zeit, diesem Gedanken nachzugehen, denn Pongo nahm den Kampf mit dem Tiger auf. Einen halben Schritt sprang er vor, so daß er vom Schein meiner Lampe getroffen wurde, und hob den mächtigen Arm mit dem riesigen Massaispeer. Ich mußte den Kopf schütteln, denn ich konnte mir nicht denken, daß ein Tiger mit einem Speer schwer verwundet, geschweige denn getötet werden könnte. Doch ich kannte noch nicht die übermenschliche Kraft des schwarzen Riesen. Pongo schleuderte den Speer. Es gab einen kurzen, pfeifenden Ton, so gewaltig war die Wucht, mit der die schwere Waffe die Luft durchschnitt, dann traf die breite Eisenspitze die Kehle der Bestie und grub sich tief ein. Der Tiger wurde durch die Gewalt des Wurfes hochgerissen und schwankte sekundenlang auf den Hinterpranken.

    Und da sprang Pongo mit hoch erhobenem Klewang vor und warf mit furchtbarem Schräghieb über den Hals den mächtigen Körper der Raubkatze zur Seite, als wäre er ein leichtes Kleiderbündel. Schon der Speer mochte dem Tiger bis ans Rückgrat durch den Hals gedrungen sein, und der Hieb mit dem breiten, malaiischen Schwert hatte ihm den Rest gegeben. Ein wildes, kurzes Toben folgte unter den Dornenbüschen, dann streckte sich der gestreifte Körper mit dumpfem Jaulen. Pongo sprang hinzu, riß seinen Speer aus dem leblosen Körper und winkte uns, ruhig weiterzugehen.
    „Massers, schnell", flüsterte er, „Boot auf Fluß." Damit glitt er schnell voraus, und wir folgten ihm natürlich in möglichst beschleunigtem Tempo. Speziell die Holländer, die jetzt den Schluß des Zuges bildeten, hatten es sehr eilig und drängten uns förmlich vorwärts. Und während des Laufens stieß der ältere Regierungsrat wieder keuchend hervor: „Herrgott, Herr Torring, sagen Sie mir doch nur, wer und was unser Beschützer ist. Er ist ja ein furchtbares, fast übernatürliches Wesen."
    Ich wollte ihm gerade antworten, daß ich ihm später eine Erklärung geben würde, als schon von vorn die Stimme Pongos grollte, der mit scharfen Sinnen die leisen Worte gehörte hatte: „Massers still sein, Feinde auch vor uns." Das war ja eine sehr angenehme Aussicht! Dann hatten die Atjeher sich doch offenbar von ihrem panischen Schrecken erholt und waren uns auf schnellerem Wege vorausgeeilt. Wir hatten ja unsere Waffen, doch die Holländer waren
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