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Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol

Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol

Titel: Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol
Autoren: Andrew Hutchinson
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jahrelangen erzwungenen Integration in den banalen Alltag der Arbeitswelt, nachdem sie sich daran gewöhnt hatten, Fremde abzuknallen. Offenbar hilft ihnen das Schreiben dabei. Hilft ihnen, wieder ruhig zu schlafen.
    Und jetzt probieren sie diese Methode auch an Kriminellen aus, überwiegend an jungen Männern, die »vom Weg abgekommen sind«. Vielleicht werde ich
wieder normal, wenn sie mich das hier aufschreiben lassen. Füge mich wieder in die Gesellschaft ein. Vielleicht muss ich dann nicht mehr losziehen und ihre Töchter vergewaltigen. So jedenfalls ihre Logik.
    Also schreibe ich es auf. Für sie. Sie verlangen es. Ich schreibe über alles Mögliche. Wie alles aus dem Ruder lief. Meine Eltern blechen ein hübsches Sümmchen für meine Therapie. Ich will, dass sie das lesen. Ich will, dass sie alles erfahren. Vor allem aber will ich, dass sie erfahren, dass alle erfahren, dass das alles hier – die Therapie, die Polizei, die Gerichtsverhandlung – nicht das kleinste bisschen ändern wird. Der Psychologe, die betroffenen Familien, die Leute, die alles besser wissen – ich will, dass sie alle das hier lesen und kapieren, dass ich mich nicht ändern werde.
    Fakt ist: Ich bin ein schlechter Mensch.
    Ich habe Dinge gesehen und getan, an die du nicht einmal denken möchtest. Ich habe gesehen, wie sie geschehen sind, und habe nichts unternommen, sie zu verhindern. Und ich habe nicht einmal im Ansatz ein schlechtes Gewissen.
    Die unschuldigen Opfer.
    Die Mädchen, die wir so fertiggemacht haben, dass sie für keine normale Beziehung mehr taugen.
    Die Eltern, die händchenhaltend ihren Schmerz zu bewältigen versuchen.
    Ich liege nachts nicht wach, um darüber nachzudenken. Ich bedaure nicht, was ich getan habe.

    Ich will mich nicht ändern.
    Im Gegenteil, ich werde alles tun, um diesen Arzt, dieses Psychogenie in den Arsch zu ficken. Diese abgebrühten Kriegsveteranen, die sich auf seiner Ledercouch die Augen aus dem Kopf heulen. Mich wird das nicht ändern. Ich will, dass ihr das lest, Satz für Satz, und kapiert, während ihr in eurem warmen Bettchen sitzt und im Schein der Leselampe eine Seite nach der anderen umblättert, dass ich meine Lektion nicht gelernt habe. Dass ich nicht auf den rechten Weg zurückgefunden habe.
    Ich bin ein schlechter Mensch. Manche Dinge lassen sich nicht ändern, egal wie sehr man es versucht.
    Und scheiß drauf, ich will sie auch gar nicht ändern.

T horley – nur reiche Snobs können sich so einen Vornamen ausdenken – hat kurze schwarze Haare, die er jeden Tag sorgfältig verstrubbelt. Ein Nerd, der im Unterricht so gut wie nichts sagt. Seine Simpsons -Lieblingsfigur ist der alte Gil, der depressive Geschäftsmann, und er meint, Ghost Dog sei der beste Film, den er je gesehen habe. Thorley hat strahlend blaue Augen und schmale Lippen. Stellt euch Ethan Hawke vor, nur nicht ganz so gut aussehend. Einmal habe ich ihn auf dem Fußboden seines Zimmers überrascht, wie er nackt einen Stift anspitzte.
    Kennengelernt habe ich Thorley in der Privatschule. Dafür musste meine Familie jedoch erst mal reich werden. Mein Dad hat in der IT-Branche gearbeitet, er war einer der ersten Internetexperten, der den Leuten prophezeit hat, eines Tages würde jedermann einen Computer besitzen. Sein Vermögen hat mein Dad mit der Angst vor dem Millenium-Bug gemacht. Er passte für Konzerne und Banken die Lines of Code ihrer Dateien an, um sicherzustellen, dass, wenn die Welt unterging, die Technologie zusammenbrach und die Gesellschaft im Chaos versank, die Kreditkartenunterlagen
gerettet würden. Als sich die Angst vor dem Millenium-Bug schließlich verflüchtigt hatte, waren wir reich.
    »Wohlhabend«, wie meine Mutter zu sagen pflegt.
    Es kam so: Ich habe in der Schule regelmäßig Mist gebaut. Mein Dad hat mich schließlich auf die Privatschule geschickt. »Sieh zu, dass du dich am Riemen reißt.« Meine Eltern glaubten, die teuerste Schule, die sie finden konnten, würde mich auf den rechten Weg zurückbringen. Außerdem mochte meine Ma die Farben der Uniform und die Bilder von den Kindern aus der Broschüre.
    Und so fand ich mich zwischen lauter auf alt getrimmten Betongebäuden wieder. Unter fünfzehnjährigen Bürschchen, die über Politik diskutierten. Typen mit gebleichten Haaren und Solariumsbräune. Mit Müttern, die überdimensionierte Sonnenbrillen und gepunktete Tücher trugen. Alles dort stank nach »sozialem Status«. Alles dort glitzerte und glänzte wie in einem amerikanischen Film.
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