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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot
Autoren: Marketa Haist
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sollte sie sonst zur Gärtnerei gefahren sein. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie auch den Mord begangen hat. Jemanden mit einer Brechstange totzuschlagen, ist kein Kinderspiel. Die ist sauschwer. Stellt sich also die Frage, ob die Gräfin überhaupt die Kraft gehabt hätte, dem Schladerer eins überzubraten.«
    »Das können Sie glauben. Sie hat ein komplettes Fitness-Studio im Haus, mit Panoramafenster zum Park. Ich konnte es bei der Suche nach der Fürstin gar nicht übersehen. Während ich mit der Schultes durch die Beete gerobbt bin, ist sie in Leggings und Schweißband an uns vorbeigeschossen wie eine Gazelle, hinter der ein Gepard her ist«, erinnert sich der Stuhlinger und beschließt: »Wir müssen ihr Alibi genauer überprüfen. Wellmann, kontaktieren Sie die Gäste der Wohltätigkeitsveranstaltung, mit denen Sie noch nicht gesprochen hatten. Irgendeiner von denen wird sich wohl daran erinnern, wann genau sie gekommen und gegangen ist.«
    Der Wellmann bleibt stehen. »Aber dort waren fast zweihundert Leute!«
    »Das gehört nun mal zu unserem Job. Sehen Sie’s positiv: Wenigstens kratzt der Telefonhörer nicht so wie Rosen oder Brombeeren.«
    Sie gehen nachdenklich weiter. Unter der alten Weide bleibt der Stuhlinger stehen und betrachtet skeptisch die Büsche am Wegesrand. »Ich glaube jetzt, dass Sie recht haben, Wellmann. Es ist wirklich hoffnungslos, in diesem Gestrüpp nach einem millimetergroßen, vertrockneten Hautfetzchen oder ein paar Stofffasern zu suchen.«
    »Eine sehr vernünftige Entscheidung, Stuhlinger.«
    Die Sache wird ein bisschen wirr. Wenn ich wieder klar sehen will, muss ich auch solche Möglichkeiten ausschöpfen, an die ich bisher nicht gedacht habe. Zum Beispiel diese alte Kopfweide, unter der die beiden Ermittler eben miteinander gesprochen haben. Allzu viel Leben ist nicht mehr in ihr drin. Ihre Zweige braucht schon lange keiner mehr zum Körbeflechten. Obwohl sie nicht abgeschnitten werden, schaut nur noch ein mageres Büschel oben aus ihr heraus. Ihr Stamm ist ganz vom Pilz zerfressen. An mehreren Stellen kann man sogar von einer Seite zur anderen durchschauen. Sie meldet sich nur selten zu Wort, wenn die Reindlfinger Pflanzen ihre Informationen austauschen. Eher hört man sie leise schnarchen. Sie könnte mir aber zumindest sagen, ob der Eisinger über seinen Spaziergang die Wahrheit erzählt hat, falls sie da nicht gerade am Pennen war. Dass sie sonst noch etwas Brauchbares weiß, glaube ich kaum, so ab vom Schuss, wie sie steht.
    Ich rufe hinüber, so laut ich kann: »He, Frau Nachbarin, ich hätte da mal eine Frage!«
    »Lass mich in Frieden, du frecher Jungspund«, knarrt die Weide zurück.
    »Verzeihung, ich wollte nur fragen, ob dir in der letzten Zeit irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen ist.«
    »Bin ich denn eine Linde, dass ich es nötig hätte, die Leute auszuspionieren? Nein, und in letzter Zeit gab es sowieso nur Langeweile. Und nochmals Langeweile. Gähnende Leere. Nur einmal, da kam der langweilige Eisinger vorbei. Der saß den ganzen Abend am Bachufer und hat Trübsal geblasen. Sterbenslangweilig. Erst als man kaum noch die Blätter vor den Augen sehen konnte, tappte er fort. Dann ist er dort hinten an der Böschung zum Bach ausgerutscht. Beinahe wäre er ins Wasser geplatscht. Das wäre wenigstens lustig gewesen. Aber kurz vorher blieb er in der Heckenrose hängen, die dann Zeter und Mordio geschrien hat. Schade eigentlich.«
    Sieh an, selbst die alte Weide findet den Eisinger langweilig. Obwohl die ganz sicher nicht mit ihm in den Tanzclub oder zum Skifahren gehen will.
    »In welche Richtung ist der Eisinger davongetappt? Heim oder zur Gärtnerei?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich habe doch gesagt, dass man nicht mehr die Blätter vor den Augen sehen konnte. Und dann war wieder Langeweile. Langweilige Weile … weil … aber …«
    Man hört leises Schnarchen.
    »Aber was ?«, brülle ich aus allen Säften.
    Das Zweigebüschel, das schon schläfrig herunterhing, schießt wieder hoch. »Was? Was, was? Welches was ?«, krächzt die Weide.
    »Du hattest doch gesagt: aber . Aber was? Wenn es in letzter Zeit so langweilig war, war es dann vorher vielleicht nicht langweilig?«
    »Früher war alles besser, merk dir das, Jungchen. Früher kamen die Burschen und schnitten meine Ruten ab. Das Zwicken habe ich gern in Kauf genommen, weil ich dabei ihren Geschichten zuhören konnte. Ein Haufen Unsinn, aber spannend. Die Geschichten erzählten sie
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