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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot
Autoren: Marketa Haist
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Mord.«
    »Ja, und zwar um den Mord an einem gottlosen Streithahn. Ich möchte nicht so weit gehen zu sagen, dass er es nicht anders verdient hat. Aber so, wie er den Herrn Pfarrer immer behandelte, weine ich ihm keinen Rußtau nach.«
    »Er hat ihn schlecht behandelt? Auch an dem besagten Abend?« Mit dieser Bemerkung kann ich den Ahorn vielleicht ködern. Wenn es um die Verteidigung des Pfarres geht, legt er sich immer mächtig ins Zeug.
    »An dem Abend war er besonders dreist. Was der arme Herr Pfarrer alles vom Sepp erdulden musste! Seine Stimme klang ganz aggressiv. Er zeterte richtig herum, irgendwas vom Kofel-Eck. Eine einzige Beleidigungstirade, dem Tonfall nach. Am Schluss, als die Türe schon wieder einen Spalt offen war, brüllte er: ›… du gähntest!‹ Da blieb dem Herrn Pfarrer nichts anderes übrig, als auch laut zu werden, und er schrie: ›Psst, Schladerer, leise, sonst hört Sie noch jemand!‹ Als sie wieder herauskamen, sah der Herr Pfarrer nicht glücklich aus. Überhaupt nicht. Weil der Sepp ihm so zugesetzt hat, ihm, dem friedlichsten und frommsten Menschen weit und breit. Dein Sepp schmort in der Hölle, wo er hingehört. Und jetzt lass mich in Frieden.«
    Hat es der Ahorn doch endlich ausgespuckt. Hilft mir das weiter? Kofel-Eck? Leidet der Ahorn schon am gleichen Tick wie der Berglmaier, dass er überall »Kofel-Eck« hört? Und wenn er sich tatsächlich nicht getäuscht haben sollte, was hat dann der Pfarrer mit dem Kofel-Eck zu tun? Das war doch ein Ding zwischen dem Sepp und dem Berglmaier! Und »du gähntest«, was soll das denn bedeuten? Ist es wahrscheinlich, dass der Pfarrer vor lauter Langeweile gähnte, während der Sepp ihn aus voller Kehle anschrie? Und wenn ja, warum hatte der Sepp etwas dagegen, dass der Pfarrer gähnte? Feine Sitten waren ihm sonst nicht besonders wichtig. Vielleicht empfand er das Gähnen als eine Missachtung seiner Person und wurde auf den Pfarrer wütend? Aber der Sepp hat ja nicht den Pfarrer umgebracht, sondern er wurde selbst umgebracht. Das passt alles überhaupt nicht zusammen.
    Gut, dass es noch so früh ist. Wer mit dem Christusdorn im priesterlichen Schlafzimmer sprechen will, der muss zeitig wach sein, denn die Gerti reißt dort nur in aller Herrgottsfrühe das Fenster zum Lüften auf. Der Herr Pfarrer hat sich immer gewünscht, länger schlafen zu dürfen. So furchtbar dringlich sind seine Aufgaben ja nicht. Aber nichts da. Gertis Meinung nach sind nicht nur die Nächstenliebe und die Wahrheitsliebe christliche Tugenden, sondern auch das Frühaufstehen. Obwohl es bisher keinem Theologen gelungen ist, nachzuweisen, dass Jesus immer besonders früh aufgestanden ist.
    »Bist du schon wach?«, sende ich dem Christusdorn behutsam meine Botschaft zu.
    »Hmmm … das Gewusel dieser alten Schreckschraube würde noch jeden dürren Stecken aus der Totenstarre reißen.«
    »Also schnell, bevor sie wieder zumacht: Kannst du dich erinnern, wann der Pfarrer an dem Abend, als der Sepp ermordet wurde, ins Schlafzimmer gekommen ist?«
    »Das war nicht lange nachdem die Turmuhr halb geschlagen hatte. Halb elf muss das gewesen sein. Oder halb zwölf? Ich weiß es nicht. Die Turmuhr höre ich durch das geschlossene Fenster, aber ich achte nicht mehr auf sie. Halb elf ist seine normale Schlafenszeit. Spätestens. Weil der Hausdrachen um halb sechs in der Früh wieder gegen die Türe donnert.«
    »Und benahm er sich irgendwie ungewöhnlich?«
    »Er hat etwas länger gebetet als sonst, wenn ich mich recht erinnere. Im Stillen, wie immer. Vielleicht kam es mir auch nur so vor. Sein Gesicht habe ich nicht gesehen, falls du das meinst. Er betet mit dem Rücken zu mir. Und dann geht’s schwupp ins Bett und Licht aus. Ungewöhnlich war höchstens, dass er vorher geduscht hat. Er dünstete aus allen Poren diese widerlich nach welkenden Zitronenmelissen riechende Seife aus. Meistens duscht er Gott sei Dank morgens. Aber manchmal auch abends. Glaubst du etwa, der Herr Pfarrer hat was mit dem Mord zu tun? Nie im Leben! Er ist das freundlichste Wesen, das man sich vorstellen kann. Es jammert mich jeden Tag, wie er unter der Tyrannei dieser Zuchthauswärterin zu leiden hat.«
    »Hast du denn nicht vom Ahorn gehört, dass sich der Sepp heimlich mit ihm in der Kirche getroffen hat?«
    »Wenn sich einer vom Sepp nicht hat provozieren lassen, dann war es der Herr Pfarrer. Er meint es mit allen gut. Als damals das Unglück passiert ist, wollte er auch durchsetzen, dass ich im
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