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ROD - Die Autobiografie

ROD - Die Autobiografie

Titel: ROD - Die Autobiografie
Autoren: Rod Stewart
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vorschriftsmäßiges Beatnik-Outfit, bestehend aus Jeans, Rollkragenpullover und Lederweste. Meine Eltern verabscheuten diesen neuen Trend, meine Schwestern und mein Bruder Don waren entsetzt – in erster Linie jedoch darüber, dass ich meinen Eltern so großen Kummer bereitete. Einmal nahm mich Mary beiseite und machte mich zur Sau. Sie war der Meinung, dass ich Mum und Dad Jahre ihres Lebens gekostet hätte. Nur mein Bruder Bob war auf meiner Seite, aber er hatte schließlich auch rebellische Züge und eine längere »Teddy-Boy«-Phase hinter sich, die ebenfalls zu vielen Auseinandersetzungen mit meinem Vater geführt hatte. Bob wusste wohl bereits, dass diese Phasen kommen und gehen.
    Außerdem wurde ich politisch – glühend, wenn auch oberflächlich. Ich verurteilte alles. »Wogegen rebellierst du?« – »Schlag was vor.« So in der Art. Ich kaufte mir den Daily Worker , ein radikal sozialistisches Blatt, nur um Leute zu ärgern, die keine radikalen Sozialisten waren. Am Arbeitsplatz schlug ich die Zeitung geräuschvoll während der Mittagspause auf, raschelte ordentlich mit den Seiten und verschanzte mich dahinter. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich da las, die Wirkung gefiel mir jedoch.
    Das war natürlich die goldene Zeit des Protests. Im Oktober 1962 brachte uns die Kuba-Krise ins Schwitzen – Chruschtschow und Kennedy zwei Wochen lang Kopf an Kopf und Großbritannien irgendwo zwischen den Fronten. Der Ausbruch des Krieges, der allen Kriegen ein Ende bereiten sollte, schwebte drohend über unseren Köpfen. Meine Kumpel und ich waren auf alles vorbereitet: Als die Situation sich zuspitzte, packten wir unsere Rucksäcke mit Kleidung und Baked-Beans-Dosen und machten uns per Anhalter auf den Weg nach Schottland. Wir dachten uns, je weiter nach Norden wir es mit so vielen Baked Beans, wie wir nur tragen konnten, schafften, desto eher würden wir die Sache einigermaßen unbeschadet überstehen. Was vielleicht etwas naiv war. Jedenfalls kamen wir gerade mal bis nach Luton und drehten dann wieder um.
    Mit einer ähnlichen Ernsthaftigkeit nahm ich an ein paar Aldermaston-Märschen teil, bei denen Mitglieder der Campaign for Nuclear Disarmament und andere Anti-Atomkraft-Aktivisten zu Tausenden vom umstrittenen nuklearen Forschungszentrum der Regierung in Aldermaston zum etwa achtzig Kilometer entfernten Trafalgar Square in der Londoner Innenstadt marschierten. Nun, ich sagte ja: »ernsthaft«. Bei diesen Märschen, die eine Art fahrendes Musikfestival mit Bands und Straßenmusikern waren, musste man unter Umständen mehrere Nächte irgendwo übernachten. Sympathisierende Schulen, die auf dem Weg lagen, öffneten ihre Turnhallen, oder man rollte seinen Schlafsack in einem Gemeindezentrum aus. Ich hatte ein soziales Gewissen, keine Frage. Ich hielt genauso wenig von Atombomben wie der Demonstrant neben mir. Wenn ich genau wie alle anderen »Polaris – raus!« brüllte, dann meinte ich das auch so. Andererseits – junge Leute? Übernachten? In Schlafsäcken? Ich müsste lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass einer der vorherrschenden Gedanken in meinem Kopf vor einem Aldermaston-Wochenende war: Vielleicht kann ich da ja eine flachlegen. Und das konnte ich tatsächlich.
    Sex in einem Schlafsack ist keine einfache Sache. Noch dazu wurden die Lichter in diesen Gemeindezentren niemals ausgeschaltet, und die vielen Leute um einen herum machten es einem auch nicht leicht, so richtig intim zu werden. Dafür fand jedoch viel lustiges Gefummel statt.
    Auf diesen Protestmärschen hatte ich auch immer meine Gitarre dabei. Ich hatte sie mir neben meine Reisetasche mit dem großen selbst gemachten Anti-Atomkraft-Aufnäher auf den Rücken geschnallt. Das war damals eben so üblich: Wer eine Gitarre hatte, nahm sie überallhin mit, und wo auch immer man sich länger aufhielt, holte man sie heraus und schrammelte die paar amerikanischen Folksongs, die man aufgeschnappt hatte – Dylan, Ramblin’ Jack Elliott, Woody Guthrie. Man hörte anderen zu und nahm Stücke aus ihrem Repertoire in sein eigenes auf. Tatsächlich waren diese Märsche gewissermaßen meine erste Bühne. In der Öffentlichkeit spielte ich jetzt das, was ich im Hinterhof geübt hatte, anstatt mich um den Laden zu kümmern. Außerdem fuhr ich mit meinen Freunden an den Wochenenden mit dem Zug von der Victoria Station aus nach Brighton an der Südküste Englands – das angesagte Ziel für alle »Beats« und Möchtegern-»Beats«. Dort saß ich in
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