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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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größeren Clubs ausgenutzt, was für mich dann die Motivation war zu sagen, okay, wir machen es. Aber wir machen es anders.«
    Das bedeutete wohl: Die jungen Wilden wollen nicht mehr nur die Handlanger und Schläger der großen Banden sein, nicht mehr nur deren Krieg führen müssen, sondern sie wollen endlich auf eigene Rechnung und Verantwortung arbeiten. Allerdings betont Fatih auch, selbstverständlich »keine Gremium-Regeln« brechen zu wollen.
    Seine Wehrhaftigkeit macht der Multikulti-Club ein Jahr nach seiner Gründung in einem Hip-Hop-Video deutlich, das binnen kurzer Zeit bei YouTube Hunderttausende Mal angesehen wird. »Wir stehen hier, ihr wollt Krieg«, rappt einer der Gang-Anführer namens Desed, »gebt uns ein paar Gegner und wir schwören, Mann, wir töten sie!«
    Ganz so schlimm endet es glücklicherweise nicht, als es im August 2012 zu einer heftigen Auseinandersetzung mit dem Lager der Hells Angels kommt. Einem vertraulichen Vermerk (» VS – Nur für den Dienstgebrauch«) der Düsseldorfer Polizei zufolge stürmt eine Truppe von etwa 20 Unterstützern der Höllenengel, es sind die Mitglieder des sogenannten Clan 81, ein Café auf der Kölner Landstraße. Mehrere Gremium-Rocker werden dabei verletzt.
    »Es besteht der Eindruck«, notiert eine Polizistin anschließend, »als handelten die Düsseldorfer Mitglieder des Gremium MC Bosporus eher auf Weisung übergeordneter Personen und ohne eigenständige Entscheidungsbefugnis – ähnlich der Unterordnung des Clan 81 im Verhältnis zu den Hells Angels.« Daher könne eine von oben angeordnete Vergeltungsaktion nicht ausgeschlossen werden. Es sei von einer »sehr brisanten Lage im Rockermilieu« auszugehen.
    Angespannter wird die Lage noch dadurch, dass inzwischen an Rhein und Ruhr eine weitere Größe der Gangszene mitmischt. Anfang Juni 2012 tritt in Duisburg die etwa 20 Mann starke Motorradbande Brotherhood »Clown-Town« um Anführer Ali O. geschlossen zu der niederländischen Formation Satudarah über. Natürlich, so betonen auch diese Rocker, gehe es ihnen lediglich um »kulturellen Austausch«. Sie seien ein reiner Motorradverein und hätten nichts mit Verbrechen zu tun.
    Allerdings ist Satudarah der größte niederländische Bikerclub und wird laut Polizei immer wieder mit der Organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht. In Deutschland steht die Gruppierung den Bandidos nahe. »Gemeinsamer Feind sind die Hells Angels«, so ein Beamter. »Bei einem Aufeinandertreffen der Rockergruppierung Satudarah und der Hells Angels sind Auseinandersetzungen nicht auszuschließen«, heißt es in einem vertraulichen Vermerk der Polizei. Bald schon detoniert nachts eine Handgranate in einem Duisburger Wettbüro, das den Höllenengeln zugerechnet wird.
    Bezeichnend ist auch, was Anführer Ali O. im Sommer 2012 in einem Interview mit »Bikers News« verkündet. Demnach gehörte keines der »Clown-Town«-Mitglieder, bei denen es sich laut O. um »Türken, Kurden, Albaner, Serben und Sinti« handelt, zuvor schon einmal einem Motorradclub an. Auch seien nur ausgesprochen selten Partys anderer Gangs besucht worden. »Die Szene ist nicht unser Ding«, so Ali O. »Wir kennen weder die Gebräuche, noch interessieren uns ihre Regeln. Wir sind für uns da.« Deutlicher kann man nicht sagen, dass man mit dem Rockerleben eigentlich gar nichts an der Kutte hat.
    Wie die Gangs überleben können
    Über die Ursachen für den Untergang des Römischen Reiches haben sich Generationen von Historikern die Köpfe eingeschlagen – im übertragenen Sinne. Als relativ unstrittig erscheint heute, dass das Imperium Romanum sich am Ende nicht nur mächtigen äußeren Feinden gegenübersah, sondern auch massive Probleme im Inneren hatte. So scheiterten die Kaiser auch daran, aus kämpferischen Barbaren wie den Germanen zuverlässige Soldaten Roms zu machen. Hinzu kam wohl eine gewisse kriegerische Unlust etablierter Bürger, so dass der Staat als Ganzes dem inneren Zerfall sowie dem Ansturm von außen letztlich nicht viel entgegenzusetzen hatte.
    Nun sind die Rockergangs in Deutschland längst keine Weltmacht, wie Rom es war, und doch scheinen in ihrem Gefüge ähnliche Mechanismen zu wirken. Über Jahrzehnte ist es den Banden gelungen, ihre Existenz zu sichern, weil sich die Mehrheit der Mitglieder den Regeln und der Hierarchie der Gruppen unterwarf. Abweichler gab es in den Banden zwar schon immer, doch bislang waren sie nicht stark genug, um wirkliche Sprengkraft entwickeln
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