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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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auch zu der Hamburger Terrortruppe gehörte, heute so abgeklärt wie philosophisch: »Gewalt ist ein Teil der menschlichen Natur. Jeder hat es drin. Wenn ich unterwegs wäre und meine Familie wird angegriffen, dann habe ich keine Zeit, auf irgendwelche Gesetzeshüter zu warten, dann wird verteidigt. Ende. Und dann ist es mir auch völlig egal, was die Gesellschaft davon hält.«
    Und was, wenn Schwächere, Unbewaffnete in Überzahl angegriffen werden? Ist dann auch alles egal?
    Schon damals, in der Anfangsphase der deutschen Rockerszene, behauptete der Anführer der Hamburger Hells Angels, Joachim H., übrigens: »Wir sind ein demokratisch organisierter, eingetragener Motorradverein. (…) Unser Ziel ist die Pflege des Motorradsports.« Solange es Rocker in Deutschland gibt, so lange inszenieren sie sich schon als harmlose Freizeittruppe, als harte Kerle mit Herz, als Schafe in Wolfspelzen. Zuletzt haben sie mit dieser Strategie allerdings deutlich weniger Erfolg als all die Jahre zuvor.
    Zwar können die deutschen Rocker – allen voran Triller – ihre Legende im Schlaf herunterbeten. Dem stehen jedoch Abertausende Ermittlungsverfahren, Prozesse und Urteile gegen die Mitglieder der Banden entgegen. Aber ihr vermeintlicher und öffentlich gerne verbreiteter Glaube an das Gute in der Gang ist unerschütterlich.
    Die kräftezehrenden Jahre des sogenannten Rockerkriegs haben die Szene jedoch stark verändert, ja man muss sagen, sie haben sie noch weiter verschlechtert. Schon immer zogen die Banden Suchende und Strauchelnde an, Männer, die lieber zuschlugen, als lange zu debattieren, Jungs, deren größte Stärken ihr Hass, ihre Wut, ihre Verachtung waren und die eigentlich nur eines gut konnten: etwas kaputt machen.
    Doch diese Männer – das muss man ihnen vielleicht zugutehalten – liebten ihre Clubs, oder besser gesagt: Sie liebten es, endlich irgendwo dazuzugehören. Sie liebten das Gefühl, ein Hells Angel oder ein Bandido zu sein, ein König der Straße und nicht mehr nur ein gesellschaftlich Gescheiterter, Türsteher, Zuhälter, Geldeintreiber. Rocker zu sein, das war ihr Leben, ihre Identität, das waren sie.
    In vielen Chaptern und Chartern der Bandidos und Hells Angels sind die Deutschen nach dem Wettrüsten der jüngeren Vergangenheit mittlerweile deutlich in der Minderzahl. Die Gangs haben vielfach brutale Banden aus den Problemvierteln der Großstädte aufgenommen, denn das war immer noch besser, als wenn die zur Gegenseite übergelaufen wären und man dann mit ihnen hätte kämpfen müssen. Allein in Nordrhein-Westfalen hat sich die Zahl der örtlichen Ableger von Bandidos und Hells Angels seit 2005 fast verdoppelt.
    Die Neuen in den und um die Clubs aber kennen die althergebrachten Loyalitäten zu den Banden nicht mehr. Für sie ist das Dasein als Rocker nur ein Abschnitt in ihrer ohnehin oft schon arg zerfurchten Biografie. Sie wechseln die Seiten, wie es ihnen gerade opportun erscheint, sie definieren sich stark über ihre Herkunft, Familie, Ethnie – der Clan ist ihnen wichtiger als die Gang.
    Auch die Hells Angels haben diese unheilvolle Entwicklung erkannt. So heißt es in einem vertraulichen Strategiepapier der europäischen Führungsebene des Clubs (»For internal HAMC use only!«):
    Wir denken, dass wir stark sind, und wir sind es. Aber in Wirklichkeit werden wir jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr schwächer und schwächer. Ja, unser Club wächst weltweit, mit neuen Ländern, mehr Mitgliedern, aber wissen die, was es bedeutet, ein Hells Angel zu sein? Wissen sie, worum es wirklich geht? Nehmen wir die richtigen Leute auf? Wollen die alles riskieren für das Wohl des Clubs? (…) Charter, Länder und Regionen vergessen, die neuen Leute zu erziehen. Die Resultate sind, dass es mehr Brüder gibt, die nicht so leben, wie sie sollten, nämlich gemäß unseren Wegen und Traditionen. Und so kommen immer mehr Brüder herein, die von Brüdern ausgebildet wurden, die selbst nicht genug über unseren Club wissen.
    Deswegen schlagen die Autoren des Papiers unter anderem Folgendes vor:
    Es sollen keine neuen Geschäftsleute (gemeint sind wohl Kriminelle oder Milieu-Größen; Anm. d. Autoren) in den Chartern (…) zugelassen werden. (…) Viele dieser Unternehmer scheren sich nicht um unsere Kultur, und ganz offen gesagt brauchen wir sie auch nicht. Sie nutzen unseren Lebensstil häufig aus und verschwinden, wenn die Kacke am Dampfen ist. Dann müssen wir uns mit dem Mist herumschlagen, den sie als
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