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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe
Autoren: Daniel Defoe
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Als aber, wie eben beschrieben, der Kapitän selber an mir vorbeikam und sagte, wir seien alle verloren, erschrak ich entsetzlich: Ich sprang auf, aus meiner Kabine hinaus und schaute mich um; aber so etwas Schauerliches hatte ich nie gesehen! Die See ging haushoch und brach alle drei oder vier Minuten über uns herab. Bekam ich den Blick frei, so konnte ich ringsumher nichts als Jammer und Not sehen: Zwei unweit von uns verankerte Schiffe hatten, weil sie zu schwer beladen waren, ihre Masten über Bord gekappt, und unsere Leute schrien, ein Schiff, das etwa eine Meile uns voraus vor Anker gelegen, sei gesunken. Zwei andere Schiffe waren von den Ankern losgerissen worden und aus der Reede auf gut Glück in die offene See gejagt, und zwar ohne einen einzigen stehenden Mast. Die leichten Schiffe hatten es am besten, weil sie nicht so stark schlingerten; aber zwei oder drei von ihnen trieben doch los und jagten, dicht an uns vorbei, nur ihr Sprietsegel vor dem Wind, ins offne Meer hinaus.
    Gegen Abend baten der Steuermann und der Hochbootsmann unseren Kapitän, den Fockmast kappen zu lassen, was er gar nicht zugeben wollte. Als aber der Hochbootsmann schwur, wenn er es nicht täte, würde das Schiff sinken, ließ er's geschehen. Und als sie den Fockmast abgehauen, stand der Großmast so lose und erschütterte das Schiff so, daß sie ihn auch abhauen und klar Deck machen mußten.
    Jeder kann sich denken, in was für einen Zustand ich bei alledem war, ich, der Neuling, der zuvor schon bei viel geringerem Anlaß solche Angst ausgestanden hatte. Doch wenn ich jetzt, nach so langer Zeit, meinen damaligen Gemütszustand noch wiederzugeben vermag, darf ich sagen, mein Entsetzen darüber, daß ich meinen guten Vorsätzen untreu geworden und zu meinem gottlosen ersten Entschluß zurückgekehrt war, war zehnmal größer als meine Angst vor dem Tode selbst; und dies, zusammen mit dem grausigen Sturm, brachte mich in einen Zustand, den ich mit keinen Worten zu beschreiben vermag. Aber das Schlimmste war noch gar nicht da. Der Sturm hielt mit solcher Wut an, daß die Seeleute selber gestanden, einen ärgeren hätten sie nie gesehen. Unser Schiff war gut, aber tief geladen und schlingerte dermaßen, daß die Leute etlichemal schrien, es würde sich leck arbeiten. Es war gut, daß ich nicht wußte, was «leck arbeiten» bedeutete. Jedoch sah ich, indes der Sturm weiterraste, etwas, was man nicht oft zu sehen bekommt: nämlich den Kapitän, den Hochbootsmann und einige andere Verständigere im Gebet knien, jeden Augenblick gewärtig, daß das Schiff in die Tiefe sänke.
    Mitten in der Nacht schrie zu all unserer anderen Not ein Mann, der hinuntergestiegen war, um nachzuschauen, daß wir ein Leck hätten; ein anderer schrie dazu, vier Fuß Wasser stünden im Raum. Alle Mann wurden an die Pumpe gerufen. Bei diesem Wort erstarb mir das Herz im Leibe, und ich fiel rücklings von meinem Bett, worauf ich saß, in die Kabine hinein. Die Leute rüttelten mich jedoch auf und riefen, ich hätte vorher zu nichts getaugt und könne jetzt pumpen so gut wie die ändern; worauf ich mich aufraffte, zur Pumpe stolperte und aus Leibeskräften pumpte. Während dieser Arbeit sichtete der Kapitän ein paar leichte Kohlenschiffe, die losgetrieben waren und in See liefen und an uns vorbeikommen mußten, und befahl, einen Schuß als Notsignal zu feuern. Da ich nicht wußte, was das bedeuten solle, war ich so bestürzt, daß ich meinte, das Schiff sei geborsten oder sonst etwas Fürchterliches geschehen. Mit einem Wort: ich fiel ohnmächtig nieder.
    Da in diesem Augenblick jeder nur an sein eigenes Leben dachte, so kümmerte sich niemand um mich und mein Geschick, sondern ein anderer trat an die Pumpe, stieß mich mit dem Fuß beiseite und ließ mich für tot liegen, und es dauerte geraume Zeit, bis ich wieder zu mir kam.
    Wir pumpten weiter, aber das Wasser stieg im Räume, und es war offenbar, daß das Schiff sinken würde. Der Kapitän fuhr daher fort, Notschüsse zu feuern, und ein leichtes Schiff, das just vor uns den Sturm, der allmählich abzuflauen begann, heil überstanden hatte, wagte es, uns ein Boot zu Hilfe zu schicken. Mit knapper Not kam das Boot an uns heran; aber es war uns nicht möglich, an Bord zu kommen, da das Boot nicht längsseit zu gehen vermochte, bis endlich unsere Leute der Bootsbesatzung, die aus Leibeskräften und mit Lebensgefahr ruderte, ein Tau mit einer Boje zuwarfen, das sie so lang schießen ließen, bis jene es nach großer
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