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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe
Autoren: Daniel Defoe
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gesagt, nur ein Ausbruch seines Gemütes, das noch durch den Kummer über seinen Verlust bewegt war, und ging weit über seine Befugnisse mir gegenüber hinaus. Späterhin redete er jedoch wiederum sehr ernst mit mir, ermahnte mich, zu meinem Vater heimzukehren und die Vorsehung nicht zu meinem Unheil zu versuchen; ich möge die sichtbare Hand des Himmels gegen mich erkennen - «und, junger Mann», sagte er, «glaubt mir, wenn Ihr nicht heimkehrt, so wird Euch, wohin Ihr auch geht, nichts als Unheil und Enttäuschung treffen, bis Eures Vaters Worte an Euch erfüllt sind».
    Wir gingen bald darauf auseinander: denn ich gab ihm nur wenig zur Antwort und sah ihn nicht wieder; wohin er ging, weiß ich nicht. Was mich angeht, so reiste ich, da ich etliches Geld im Sack hatte, über Land nach London.
    Dort und unterwegs hatte ich noch manchen Kampf mit mir selber, welchen Lebensweg ich einschlagen solle, nach Hause oder auf die See. Gegen das Nachhausegehen sperrte sich die Scham, und es stand mir gleich vor Augen, wie die Nachbarn über mich lachen würden und wie demütigend es sein würde, meinen Vater, meine Mutter, ja überhaupt irgend jemand wiederzusehen; wie ich denn seitdem oft beobachtet habe, wie ungereimt und unvernünftig die Menschen, besonders die jungen, sich in solchen Fällen verhalten, wo doch die Vernunft sie leiten sollte: nämlich daß sie sich nicht schämen zu sündigen und dennoch sich schämen zu bereuen; daß sie sich der Tat nicht schämen, um deretwillen sie mit Recht für Toren gehalten werden, wohl aber der Umkehr, die ihnen doch allein dazu verhelfen könnte, wieder als verständige Leute zu gelten.
    In diesem Zustand verharrte ich indessen einige Zeit und wußte nicht recht, was ich anfangen und welchen Lebensweg ich einschlagen sollte. Ich hatte noch immer einen unüberwindlichen Widerwillen dagegen, nach Hause zurückzukehren, und nachdem ich eine Weile in London gesessen hatte, verblaßte die Erinnerung an die ausgestandene Not, und die an sich schon geringe Lust zur Heimkehr verging mir immer mehr, bis ich schließlich jeden Gedanken daran zum Teufel jagte und mich nach einer Seereise umsah.
    Der böse Geist, der mich zuerst aus meinem Vaterhause wegtrieb, der mir den ungebärdigen und unreifen Gedanken eingab, in der weiten Welt mein Glück zu machen, und der mir diesen Wahn so aufdrängte, daß er mich taub machte für allen guten Rat und für das Flehen und sogar für den Befehl meines Vaters - dieser selbe böse Geist, sage ich, verlockte mich auch zu der unseligsten aller meiner Unternehmungen, und so ging ich an Bord eines nach der afrikanischen Küste bestimmten Schiffes oder, wie unsere Seeleute es gemeinhin nennen, eines Guineafahrers.
    Es war mein großes Mißgeschick bei all diesen Abenteuern, daß ich mich nicht als Matrose anheuern ließ; auf diese Art hätte ich zwar etwas härter als sonst arbeiten müssen, aber zugleich hätte ich doch die Pflichten und den Dienst eines Seemanns erlernt und mich vielleicht mit der Zeit zum Maat oder Steuermann oder gar Schiffskapitän emporgearbeitet. Aber wie es allezeit mein Schicksal war, mich für das Falsche zu entscheiden, so auch hier; denn da ich Geld im Sack und gute Kleider am Leibe hatte, ging ich immer nur als feiner Herr an Bord, so daß ich nichts zu tun hatte und auch nichts lernte. Zu meinem Glück geriet ich in London in treffliche Gesellschaft, was bei so jungem Blut, das führerlos in der Welt umherschweift, nicht immer der Fall ist, da für gewöhnlich der Teufel hurtig ist, ihm seine Fußangeln zu stellen. Bei mir aber ging es anders; ich machte sogleich die Bekanntschaft eines Kapitäns, der mit seinem Schiff von Guinea kam und nun, da es ihm dort wohl geglückt war, im Begriff stand, zum zweiten Male hinzufahren. Da er an meinem Umgang, der zu jener Zeit nicht unergötzlich war, Gefallen fand und hörte, der Sinn stände mir in die weite Welt, so eröffnete er mir, wenn ich mit ihm gehen wolle, so solle mich die Reise nichts kosten; ich solle sein Messegast und Begleiter sein, und wenn ich etwas an Waren mitnehmen wolle, so könnte ich für meine eigene Tasche damit Handel treiben, und es würde mir vielleicht glücken.
    Ich griff zu, schloß enge Freundschaft mit diesem Kapitän, der ein ehrlicher, aufrichtiger Mann war, und trat die Reise mit ihm an. Ich nahm ein kleines Kapitälchen in Waren mit, das ich durch die uneigennützige Redlichkeit meines Freundes sehr beträchtlich vermehrte, nämlich etwa 40 Pfund
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