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Robina Krux

Robina Krux

Titel: Robina Krux
Autoren: Alexander Kröger
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vor dem Rumpf in sich zusammen, saß apathisch angelehnt, den leeren Blick in die Ebene gerichtet. Dann glitt sie zur Seite, lag mit dem Oberkörper im Winkel, den der Rumpf mit der Umgebung bildete…
     
    Viel später richtete sich Robina auf. Sie saß eine Weile erschöpft, ohne einen Begriff vom Geschehenen, dann erhob sie sich, ein Druck lastete auf ihrem Kopf, sie taumelte, sah dann zur Uhr, nahm die Zeitanzeige zunächst nicht auf. Und als ihr langsam klar wurde, dass vier Durchgänge vorüber waren seit ihrem Zusammenbruch, empfand sie weiter nichts als Gleichgültigkeit. Sie rief fragend, heiser: „Frank?“ Aber kein Hoffnungsfunke glomm mehr in ihr.
    Robina stand minutenlang unschlüssig, dann tappte sie einige Schritte in die Ebene hinaus, stand wieder, kehrte um, stolperte wie unter dem Einfluss eines fremden Willens zur Schleusenluke, zerrte diese weit auf, öffnete auch die Schotte zu den Laderäumen, und dann begann sie die Vorräte auszuladen. Sie warf die Behälter aus dem Boot, in ihrem Kopf formte sich ein Text, und sie zwang sich in den Rhythmus der Silben. Bei jedem Wurf murmelte sie: „Da-mit-ich-fer-tig-bin-wenn-sie-mich-ho-len-da-mit-ich-fer-tig-bin-wenn-sie-mich-ho-len-da-…“
    Länger als eine Stunde arbeitete sie so, immer im Silbenrhythmus, bis zum letzten Behälter. Dann begann sie mit kindischer Akribie die Dosen und Flaschen vor dem Wrack zu stapeln, keine durfte auch nur einen Millimeter vom Ebenmaß abweichen.
    Dumpfer Kopfschmerz rief Robina allmählich in die Wirklichkeit zurück. Sie begriff auf einmal nicht, wie sie in ihrer Lage das Boot ausgeladen und die große Zahl der Behälter gestapelt hatte. Und dann schob sich wieder das Schreckliche in ihr Bewusstsein. Sie dachte langsam, spürte mehr, als dass sie es folgern konnte, es könne – ja, müsse – doch noch Hoffnung bestehen! Dieses Müssen wurde ein Strohhalm, vermittelte jedoch keine Kraft, keinen neuen Glauben, so als reichten ihre Gedanken nicht über ihre unmittelbare Umgebung hinaus; sie konnte und wollte sich das Schreckliche nicht vorstellen.
    Dann sagte sie sich, ‘sie sollen mich nicht so erschöpft, so mutlos finden, wenn sie kommen. Ich werde ruhen, ein wenig…’ Sie kroch in das Wrack, löste einen der Liegesitze, stellte ihn so, dass die Schräge der Kabine ausgeglichen wurde, und legte sich hin. Einige Male wollte würgende Furcht sie greifen, aber selbst dieses Gefühl blieb gleichsam in Apathie stecken. Mit einer Art fatalistischem Gleichmut döste Robina ein.

2
     
    Als Robina erwachte, brauchte sie Sekunden, die Situation zu erfassen. Sie fühlte sich frischer, ausgeruht. Sie blickte zur Uhr: Sechs Stunden hatte sie geschlafen.
    ‘Jetzt waschen, baden! Umziehen!’
    Robina stand auf, trat zur Luke und stieß sie auf.
    Obwohl sich draußen nichts, absolut nichts geändert hatte, seit sie sich in das Wrack zurückgezogen hatte, durchfuhr sie ein eisiger Schreck. Tief im Unterbewusstsein war ihr nach Sonne, blauem Himmel und Fotografierwölkchen, nach frischer Luft und Vogelgezwitscher zumute gewesen. Schlagartig wurde sich Robina ihrer Misere bewusst. ‘Was gäbe ich darum’, dachte sie, ‘wenn ich noch einmal jene Tage an diesem Bergsee irgendwo in der Hohen Tatra erleben könnte! Schlaftrunken mit Boris aus der Hütte laufen, taufrisches Gras, Zaudern und dann der Sprung ins kalte, klare Wasser… Doch, Robi – das war Glück!’
    Ihr Blick ging nach oben; noch einmal meinte sie, alles sei ein Traum. Es müssten jetzt, da sie erwachte, die grünen Wipfel über ihr rascheln…
    Ein schwarzer Himmel drohte herab, kalt und bösartig blitzten Sterne, und die funkelnden Kristalle kamen ihr mehr denn je tödlich eisig vor.
    Niedergeschlagen kontrollierte Robina den Speicher der Funkanlage. Außer ihrem letzten, zaghaft-fragenden „Frank?“– nichts, doch – und sie wurde nun sehr aufmerksam – jenes Knattern imRauschen. ‘Warum habe ich das gestern so wenig beachtet? Gestern…’
    Sie schaltete auf Empfang und höchste Intensität.
    Da war es, schmerzhaft laut, auf- und abschwellend, unregelmäßig wie – wie Regenschauer im Wind.
    Strahlung!
    Aber nicht die Strahlung schlechthin und die damit verbundene Gefahr erschreckten Robina, sondern der Gedanke an den Ursprung. ‘Woher auf einmal kommt Strahlung! Wir haben weit und breit über Millionen Kilometer nichts festgestellt, das strahlt, das so strahlt!’
    Bangen Gefühls machte sich Robina daran, das Phänomen zu bestimmen, nachdem sie
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