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Robina Krux

Robina Krux

Titel: Robina Krux
Autoren: Alexander Kröger
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etliche der niedergeschriebenen Begebenheiten, die sie auf vielen glatten Wänden, nicht nur auf der Zentralfläche am See, erwarteten, unverständlich geblieben, aber auch sie würden nun die Allscherbe durchforschen, würden rote Behälter an den höchsten Spitzen der Kristalle und einen leuchtenden Strich quer über die Ebene entdecken.
    Und dieser Strich würde sie ebenfalls zum Garten vor der Grotte führen. Sie würden staunen über die Blütenpracht, über das Grün, das trotz aller Farbenspiele der Minerale unnachahmlich lebendig erscheint, und sie müssten sich fragen, wie so etwas auf der sterilen, atmosphärelosen Oberfläche dieses toten Sterns in der Raumkälte existieren kann.
    Erst wenn sie eine gewisse Scheu überwunden und die zarten Gewächse berührt hätten, müssten sie ihren Irrtum feststellen, da das Sprödgefrorene unter ihrem Griff gläsern zerrieseln würde. Und sie sähen, jeder Stängel spross aus einem kleinen Loch, das ein scharfer Hitzestrahl in den Untergrund gebohrt hat.
    Würde ein verborgener Beobachter das Geheimnis des seltsamen Himmelskörpers ergründen wollen, so könnte er in einem stets wiederkehrenden Turnus ein seltsames, berührendes Schauspiel erleben.
    Aus der Grotte tritt ein Wesen in einem orangefarbenen faltigen Anzug, der den gesamten Körper umhüllt, mit einer großen Kugel auf den Schultern, in die eine Sichtscheibe eingearbeitet ist. Und wenn sich das Wesen auf dem langgestreckten, klaren Kristall, der vor der Grotte liegt, niedergelassen hat und den Kopf an das violette Oktaeder lehnt, das ein Stück aus der Uferlinie hervortritt, dann ist in den hellen Pulsationen hinter dieser Scheibe das müde, bleiche Antlitz zu sehen, dem die geschlossenen Lider und entspannte Züge einen Ausdruck von gelöster Zufriedenheit verleihen.
    Das Gesicht wird umrahmt von welligem, mit silbrigen Fäden durchzogenem Haar, um die Mundwinkel ziehen sich kleine Fältchen. Es ist ein gereiftes, abgeklärtes Gesicht.
    Dann öffnet das Wesen klare blaugraue Augen, die, wenn sie auch nicht lebhaft in die Umgebung blicken, sondern eher starr in den samtschwarzen Himmel, sich gleichsam an den gleißenden Sonnen festsaugen.
    Beim Betrachten dieses Gesichts und der Augen kann der Beobachter leicht übersehen, dass sich aus dem Eingang der Grotte noch ein Körper schiebt, ein merkwürdig unförmiger Klotz, der metallisch die Lichtstöße reflektiert und 30 Zentimeter über dem Boden schwebend, unbeweglich stehen bleibt.
    Und überrascht wird der Betrachter sein, wenn er zufällig sein Funkgerät in einem bestimmten Frequenzbereich auf Empfang geschaltet hat. Leise löst sich Musik aus der Stille, ein Gesang von mehreren, von vielen Stimmen, ein Chor gleichen Timbres. Ein- und mehrstimmig gesungen, erklingen Melodien voller Getragenheit und Schwermut. Der aufmerksame Zuhörer wird alsbald herausfinden, dass von dem Orangewesen nur eine der Stimmen kommt, während alle anderen der Metallkoloss singt…
    Später schließt sich ein kleiner Dialog an, etwa folgenden Inhalts: Das Wesen mit dem Kugelhelm fragt: „Wie weit bist du gekommen?“
    Und der Metallkörper antwortet, dass er alles oder nur einen Teil geschafft habe, dass sie ihm eine neue Fläche zuweisen müsse oder dass auf der alten noch so und so viel Platz sei. Und meist liest sie ihm dann eine kleine Geschichte vor, die der Koloss ohne Kommentar anhört, von der er aber offenbar weiß, dass er sie auf einer Kristallfläche aufschreiben soll.
    Und nach dieser Tagesbilanz, nachdem der neue Arbeitsplan abgestimmt ist, kling erneut der Gesang auf, nach einer Pause, in der nichts die grenzenlose Stille durchbrochen hat bis auf das einförmige leise Summen der Lautsprecher.
    Und dann, wenn hinter dem gegenüberliegenden Ufer abermals der hellleuchtende Stern aufgegangen und langsam quer über den See bis über den Grotteneingang gewandert ist, sagt das Wesen im orangefarbenen Anzug, und es klingt, als ob es tatsächlich sehr müde sei: „Gehen wir schlafen…“
     
    Robina saß auf ihrer Bank vor der Grotte, einem quaderförmig gewachsenen Gipskristall. Sie hatte den Kopf an das violette Oktaeder gelehnt, hielt die Augen geschlossen und überdachte die kleine Begebenheit, die sie niedergeschrieben hatte.
    Schon lange war es ihr gleichgültig, was diejenigen, die das alles einmal lesen würden, damit anfangen könnten. Dass sie es lesen würden, befriedigte sie.
    Nur das an diesem Tag Geschriebene hatte Robina ein wenig ärgerlich
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