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Ritus

Ritus

Titel: Ritus
Autoren: Markus Heitz
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Security-Leuten sprang die Einfalt aus dem Gesicht.
    »‘n Abend, Herrschaften. Ich habe mich verfahren«, sagte Eric. »Das dämliche Navigationsprogramm zickt. Wahrscheinlich führen die Amerikaner wieder irgendwo Krieg und stören das GPS.« Er näherte sich ihnen und lächelte. »Sie kennen sich in München aus?«
    Der dickere der beiden Security-Männer blieb gelassen, sein Partner aber bekam schmale Lippen und einen starren Blick. Den musste er zuerst ausschalten.
    »Wohin wollen Sie denn?« Der Dicke streckte den Arm nach der Karte aus.
    »Lerchenfeldstraße zweiundvierzig, glaube ich. Einen Moment. Ich habe eine Notiz eingesteckt …« Eric beugte sich nach vorne, ließ den Mann die Karte allein halten und tastete mit einer Hand seinen Mantel ab, als suche er den Zettel mit der Adresse. »Ich finde ihn nicht.« Dann zog er die Bernadelli und hielt sie dem Dicken hin, dessen Augen vor Unglauben riesig wurden. »Halten Sie die auch noch, bitte? Dann kann ich besser suchen.«
    Bevor einer der beiden reagierte, stieß Erics Ellbogen unvermittelt schräg nach hinten. Er traf den längeren Sicherheitsmann präzise auf die Nase; der Überrumpelte prallte gegen die Tür und rutschte benommen zu Boden, während Erics rechter Arm bereits in einer blitzschnellen Vorwärtsbewegung auf die Schläfe des Dicken niederzuckte; der Schlag ließ den Kopf herumschnappen, der Mann knickte zusammen.
    Lächelnd schaute Eric auf die Hausnummer neben dem Eingang. »Ach, Sie können mir nicht weiterhelfen? Ich frage wohl besser mal drinnen nach.« Er grinste und durchsuchte die Jackentaschen der Bewusstlosen; in einer fand er die elektronische Schlüsselkarte. »Danke sehr.«
    Rasch trat er ein und schlich im Dunkeln die Treppe in den ersten Stock hinauf. Die Bernadelli hielt er mit beiden Händen einsatzbereit.
    Irgendwo aus einem der Zimmer vor ihm erklangen laute Trommeln und rhythmisches Klatschen, darunter mischten sich das gelegentliche Lachen von Männern und leises Klimpern. Eric sog die Luft ein. Es roch nach orientalischem Essen – und Wolf. Er würde die Feier abrupt beenden müssen, und es tat ihm nicht einmal Leid.
    Sein gutes Gehör lotste ihn den halbdunklen Flur entlang bis zu der Tür, hinter der die Geräusche am leisesten waren. Zufällig fiel sein Blick auf seinen eigenen Schatten, und er erschauderte. Der Anblick erinnerte ihn an Robert Motherwells Gemälde Monster: ein diffuses, Furcht einflößendes Gebilde voller dunkler Bedrohung, dem man entkommen wollte. Aber seinem eigenen Schatten konnte man nicht entkommen.
    Erics Hand legte sich auf die Klinke, behutsam drückte er sie herab und öffnete die Tür. Er fand sich im hinteren, dunkleren Teil eines Raumes wieder, unmittelbar neben einem geplünderten Büfett. Sofort duckte er sich und verschwand unter dem Tisch. Er rutschte unter ihm einige Meter vorwärts und schob dann vorsichtig die weiße Tischdecke zur Seite, um sich einen Überblick zu verschaffen.
    Eine Männergesellschaft lag auf weichen Kissen um einen runden Tisch, auf dem kleine, dampfende Teetässchen und mehrere Wasserpfeifen standen; über ihnen spannte sich ein Baldachin aus dunkler Seide mit bunten Stickereien. Die Männer verschiedenen Alters trugen allesamt Geschäftsanzüge, sahen orientalisch und aufgrund des Goldschmucks und der schweren Uhren wohlhabend aus. Vor ihnen tanzte eine dunkelhaarige, tiefbraune Schönheit in einem knapp geschnittenen Kostüm mit Schleiern; das Klirren stammte von einem Münzgürtel, den sie um die Hüfte trug. Die bewundernden Blicke der Männer waren ihr sicher.
    Erics Handy vibrierte in der Hose. Er ließ das Tischtuch in seine alte Position gleiten und nahm das Telefon heraus. »Ja?«, flüsterte er.
    »Komm nicht her, Eric!« Die atemlose Stimme seines Vaters. »Du …« Die Verbindung riss ab.
    Erics Puls beschleunigte sich. Er schob das Tischtuch erneut zur Seite und musterte die Männer aufmerksam. Es stank drückend nach Wolf; Eric konnte die Ausdünstungen wegen des starken Geruchs der Umgebung nicht einzeln zuordnen. Aber es musste doch einen Hinweis geben, irgendetwas, an dem er Upuaut erkannte. War er der ältere Mann mit dem dichten Bart? Oder der Nordafrikaner mit der Narbe unter dem Auge? Jeder von dem Dutzend konnte Upuaut sein. Er wusste nichts über dessen menschliches Leben, außer dass er sehr wohlhabend und kriminell war. So wie etwa siebzig Prozent der Lykantrophen, die ihm vor die Mündung gelaufen waren. Ihre durch das Tier
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