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Ritterturnier auf Schreckenstein

Ritterturnier auf Schreckenstein

Titel: Ritterturnier auf Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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Stimmen. Hinter dem mannshohen Blechkasten des Elektrizitätswerks, der hier auf eigenem Betonsockel thronte, blieben sie stehen und schauten vorsichtig um die Ecke.
    „Ich komme mir vor wie ein Schreckensteiner Ritter“, flüsterte Jens.
    Das Blickfeld war frei. Hinter dem langen Zaun zur Straße drängte sich halb Neustadt und bekam gerade Zuwachs von den Franz-Josephlern. Die breite Einfahrt in der Mitte war umkämpft. Zwei Polizeibeamte drängten Schaulustige zurück, um die Zufahrt offenzuhalten. Ein Polizist auf dem Motorrad schlängelte sich durch die Menge und fuhr in den Schulhof. Dort standen ein Kombi vom Roten Kreuz und der rote Notarztwagen. Dazwischen, geschäftig, ohne etwas Erkennbares zu tun, Ärzte und Helfer in weißen Mänteln, Schwestern, Polizeibeamte sowie einige wichtige Persönlichkeiten in Zivil.
    Florian erkannte einen. „Schau mal! Der mit dem grauen Anzug, das ist doch der Vater von Udo.“
    „Was tut denn der hier?“ wunderte sich sein Freund. Florian wunderte sich nicht. „Rechtsanwalt! Der hat doch seine Nase überall drin. Und der, mit dem er gerade spricht, ist unser Bürgermeister. Scheint ja eine…“ Hier stockte Florian. Nicht wegen des Stücks Kreide, das er gerade in seiner Hosentasche entdeckt hatte. Oben im ersten Stock war ein Fenster geöffnet worden, genau über ihnen. Ein Ebertschüler rief herunter: „Was tut ihr denn hier?“
    „Siehst du doch! Wir warten auf den Bus“, alberte Jens.
    „Faßt bloß unser Schulhaus nicht an!“ warnte der Ebertmann. „Hier ist alles hochgiftig.“
    „Hat euch ein tollwütiger Lehrer gebissen?“ fragte Florian. Der Ebertmann winkte ab. „Den hätten wir eingeschläfert und wären längst zu Hause. Aber so sitzen wir fest. In Untersuchungshaft.“
    Ungläubig wiederholte Florian das Wort.
    „Ja.“ Der Ebertmann nickte todernst. „Die untersuchen und untersuchen, warum sie uns hierbehalten.“
    „Habt ihr Läuse?“ fragte Jens hinauf.
    „Sei bloß vorsichtig!“ warnte der Ebertmann. „Die Läuse, die wir haben sollen, können ganz Neustadt lahmlegen. Uns hat irgend jemand einen komischen Bazillus, Virus, Kolibri oder wie diese Dinger heißen, untergejubelt. Der muß aber erst gefunden werden. Vorher können sie ihn nicht vertreiben oder uns dagegen impfen.“
    „Ach so! Die U-Haft nennt man Quarantäne“, belehrte ihn Jens. „Na dann, viel Spaß!“
    Florian drängte weg. „Und Waidmannsheil mit eurem geheimnisvollen Seuchenspender.“
    Die Abkürzung hatte sich gelohnt. So viel hätten sie vorne bei den Gaffern am Zaun nie erfahren. An der Hauswand entlang schlichen sie davon.
    „Moment noch!“ sagte Florian, als das schmiedeeiserne Türchen quietschte. Er lief zurück zur ersten Mülltonne, zog das Stück Kreide aus der Tasche und schrieb etwas auf die ausrangierte Schultafel, die dort lehnte.
    „So!“ Schmunzelnd betrachtete Florian sein Werk. „Damit sie sich nicht wie die Helden des Tages vorkommen!“
     
    Auf Schloß Rosenfels wußte man von den Ereignissen in Neustadt nichts. Zwar telefonierte Fräulein Doktor Horn am Vormittag mit dem Rathaus wegen ihres verlorenen Personalausweises – eine Schlamperei, die sie sich selber nicht verzieh.
    Die Sachbearbeiterin am anderen Ende war aber längst über die Quarantäne informiert und konnte sich denken, wie interessant das für die Leiterin von Rosenfels sein mußte. Doch sie schwieg, weil sie sich, nach einer peinlichen Indiskretion, fest vorgenommen hatte, als Beamtin während der Dienststunden nicht mehr zu tratschen.
    Das dicke Fräulein Böcklmeier wollte am Nachmittag zum Friseur fahren, in den Salon Annegret, wusch sich dann aber das Haar kurz entschlossen selber. In der Teepause rief Andi von der Burg Amanda an, weil er sie bald sehen wollte, nach den langen Ferien. Die Ritter waren zu dem Zeitpunkt genauso ahnungslos wie die Mädchen oder „Hühner“, wie sie sie gern nannten.
    Sie freue sich auch sehr auf ein Wiedersehen, sagte Amanda. Es sei absolut nichts los.
    „Bis auf ein Gerücht…“, fiel ihr ein. „Da ist so eine Hellseherin…“
    „Die kennen wir!“ unterbrach Andi. „Ist die Tante von Florian, dem 400-Meter-As aus der Franz-Joseph-Schule. Entschuldige.“
    Ohne noch einmal dazwischenzuquatschen, ließ er Amanda von der Voraussage erzählen und erfuhr, daß die Mädchen davon wenig beeindruckt seien.
    „Bei der Tante weiß man nie! Irgendwas ist meistens dran“, räumte Andi ein. „Ich… ich muß jetzt Schluß
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