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Ritterturnier auf Schreckenstein

Ritterturnier auf Schreckenstein

Titel: Ritterturnier auf Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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keinen Muskelkater im Gehirn, sonst fällst du das ganze Trimester aus!“
    „Dann wird er Geländefahrer! Das kann er im Schlaf bei seiner Begabung! Mit dem Rennrad hier rauf ist für ein so zartes Knäblein zu anstrengend“, lästerte Mücke, auf den Rücktransport des Motorrades anspielend, durch den Dampfwalze als letzter ins Bett gekommen war.
    Die abschließende Mathematikstunde schlief er glatt durch. Schießbude, der jüngste und kleinste Lehrer, zeigte Verständnis. „Sonst schläft er beim Mittagessen ein, womöglich mit der Gabel im Mund. Das ist zu gefährlich!“
    Im Eßsaal war der Muskelprotz wieder ganz der alte. Es gab ja auch die beliebten Königsberger Klopse. Zehn Stück ließ er verschwinden, ohne Anzeichen von Ermüdung. Während der Schweigezeit löffelte er gut hörbar große Mengen Turbosuppe, wie das Rhabarberkompott auf der Burg genannt wurde.
    Ottokar ging zum Schwarzen Brett, läutete mit der Kuhglocke und sagte das Programm für den Nachmittag an: „Ausbau und Verschönerung“ – eine beliebte Tätigkeit, bei der jeder nach eigenem Ermessen und handwerklichen Fähigkeiten anfallende Reparaturen ausführen konnte. Türscharniere ölen, eine Fensterscheibe ersetzen und verkitten, kleine Schäden am Mauerwerk ausbessern, Anstrich erneuern und so fort.
    Ottokar verlas Such- und Verlustmeldungen, dann die Überraschung: „Gleich nach Tisch ist Schulversammlung im Wohnzimmer.“
    Blicke verrieten Gedanken: Sicher wieder Ärger mit Udo und Jerry!
    Als der Rex dann im Wohnzimmer sprach, verrieten Blicke Fassungslosigkeit.
    Fräulein Doktor Horn hatte angerufen und dem Rex die hinterlistige Gefangennahme und Verschleppung braver Neustädter Buben durch rüde Ritter aufgetischt. Charakterlich besonders schäbig sei die versuchte Täuschung, als habe Schreckenstein nichts damit zu tun gehabt. Zum Glück gebe es Gegenbeweise: Das Motorrad sei verschwunden.
    Ein Raunen ging durch die Reihen. Was sich wirklich zugetragen hatte, wußte der Rex bereits von Ottokar.
    „Ich weiß, ihr wolltet die Mädchen raushalten“, fuhr er fort. „Das haben Udo und Jerry auch getan. Auf unsere Kosten. Der Fehler liegt bei uns. Wir haben ihnen die Gelegenheit dazu gegeben. Burschen von diesem Kaliber hättet ihr nicht den Mädchen überlassen dürfen, sondern sie eigenhändig in den Omnibus verfrachten müssen, und wenn ihr bis nach Neustadt mitgefahren wärt…“
    „Um dort dann gesehen zu werden!“ rief Armin dazwischen.
    Der Rex winkte ab. „Eine Zwickmühle, ich weiß. Direktor Schuster hat mich auch schon angerufen: Die beiden sind zu spät zum Unterricht gekommen.“
    „Und Andreas?“ fragte Beni.
    „Es war nur von zweien die Rede. Aber zu dem Motorrad: Dampfwalze, du hast es doch…“
    Dampfwalze gähnte oder grinste oder beides. Es dauerte eine Weile, bis er den Mund zubrachte, um ihn aufzumachen: „Ist in Neustadt! Hab’s zurückgebracht, heute nacht, Zündschlüssel im Briefkasten…“
    „Mit dem Rennrad über der Schulter!“ flüsterte Mini-Ritter Kuno, als sei das niemandem sonst bekannt.
    Der Rex nickte. „Nun, dann werden sie’s ja inzwischen gefunden haben. Besser stehen wir dadurch allerdings nicht da.“
    Es wurde laut im Wohnzimmer. Ritter schimpften. „Infame Lügen! Nichts als Lügen!“
    „Sie wollten die Hühner raushalten!“ riefen andere dagegen.
    „Das hat denen doch Spaß gemacht, uns damit ordentlich reinzureiten“, erwiderte Walter.
    „Ein gutes Motiv für eine böse Tat!“ formulierte Dichter Hans-Jürgen.
    „Stimmt nicht!“ widersprach Mini-Ritter Eberhard. „Wir haben die Hühner auch rausgehalten.“
    „Allerdings nicht gründlich genug“, stellte Mücke mit der Autorität des Schnelldenkers fest.
    In die Hände klatschend, wartete der Rex, bis es wieder still wurde. „Wenn das Motorrad sich gefunden hat, wird die Sache von heute nacht vergessen werden. Nicht aber, was in Neustadt passiert ist. Da suchen sie noch die Schuldigen, und solange die nicht gefunden sind, hält sich die sogenannte »öffentliche« Meinung gern an Minderheiten. Wir sind so eine Minderheit. Beargwöhnt, mißverstanden, beneidet. Darum haben wir es schwerer, müssen ständig auf der Hut sein. Aber auch das hat uns zu der Gemeinschaft gemacht, die wir heute sind. Wir wissen, wir können uns aufeinander verlassen, bei uns wird nicht gelogen und nicht heimlich gegen andere gestänkert. Das ist ein großes Plus. Wenn wir jetzt klug vorgehen, uns keine unnötigen Blößen geben,
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