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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde
Autoren: Martin Clauss
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nötig, |123| dass die Pferde in dem Sinne aktiv wurden, dass sie sich gegenseitig bekämpften. Dieses Verhalten ist eher dem Chanson de Geste entnommen, in dem sich ein Ritter Renaut auf seinem Pferd Baiart dem Bösen stellt. Hier ist das Pferd treuer Begleiter, ja Freund und Kampfgefährte. Dieses Phänomen lässt sich epochenübergreifend beobachten: Alexander der Große ritt seinen Bukephalos, Lucky Luke reitet Jolly Jumper.
    Wie eng im Mittelalter sozialer Anspruch und höfische Ideale mit der Realität des Krieges verwoben sein konnten, zeigt sich auch am Geschlecht der Pferde; als Kriegspferde kamen nämlich durchweg Hengste zum Einsatz. Die Gründe hierfür sind im Statusdenken zu suchen. Biologische Gründe für den Einsatz von Hengsten gab es nicht. Hengste sind weder signifikant schneller oder größer als Stuten oder Wallache. Auch die Zuchtbedingungen des Mittelalters erklären den Verzicht auf Stuten nicht. Denn selbst wenn man für die Zucht deutlich mehr Stuten als Hengste benötigt, standen Stuten doch in so ausreichender Zahl zur Verfügung, dass man sie nicht ausschließlich in der Zucht einsetzen musste. Wenn Ritter Hengste ritten, dann lag das vielmehr an der positiven Konnotation ihres Geschlechtes. Ein echter Ritter wollte keine Stute reiten.
    Das Ende der Ritter
    Heute gibt es Ritter nur noch im Kino und in den Vorstellungen eines bestimmten Menschen- oder genauer Männerschlages, der sich ,ritterlich‘ um Ehre und Anstand, Höflichkeit und Moral bemüht – angeblich so wie die Ritter des Mittelalters. Diese sind verschwunden. Aber warum?
    Die ritterliche Art der Kriegführung bestand darin, mit eingelegter Lanze gegen den Gegner anzureiten. So effektvoll |124| dies – etwa im Laufe der Kreuzzüge – immer wieder gewesen sein mag, so setzten die Entwicklungen der Kriegführung dieser Gewaltform spätestens ab dem 14. Jahrhundert deutlich Grenzen. Der Erfolg eines Angriffs mit eingelegter Lanze war von zahlreichen Faktoren abhängig. Neben der Geländebeschaffenheit und dem koordinierten Zusammenspiel der angreifenden Ritter war auch das taktische Verhalten der Gegner wichtig. In blutigen Niederlagen mussten die westeuropäischen Ritter lernen, dass sie gegen eine wohlgeordnete Truppe von Fußkämpfern nichts ausrichten konnten, welche den Angriff der Reiter auf ihre Langwaffen (wie Spieße und Hellebarden) einfach auflaufen ließen. Auf diese Weise errangen die Engländer vor allem in der Frühphase des Hundertjährigen Krieges (1337–1453) zahlreiche Erfolge gegen französische Ritter. Der Erfolg der Engländer beruhte auch darauf, dass Bogenschützen und Reiterkrieger über alle ständischen Grenzen hinweg gut miteinander kooperierten; der Erfolg wurde also gemeinsam von allen am Krieg beteiligten Protagonisten errungen. In anderen Fällen machten sich zu Fuß kämpfende Verbände die Beschaffenheit des Geländes zunutze und griffen die Reiter in einer Situation an, in der deren Stärke nicht zur Entfaltung kommen konnte, etwa in der Schlacht bei Morgarten (1315), in der schweizerische Fußkämpfer österreichische Reiterei unter Ausnutzung einer für sie günstigen Geländeformation angriffen und besiegten.
    Auch der massierte Einsatz von Fernwaffen (Bogen, Armbrust und Feuerwaffen) nahm den Rittern ihren militärischen Vorteil. So wurden die englischen Verbände – Reiter und Fußtruppen – in der letzten großen Schlacht des Hundertjährigen Krieges 1453 bei Castillon (Frankreich) beim Angriff auf die französischen Stellungen mehr oder weniger zusammengeschossen. Feuerwaffen und vor allem billige Büchsen machten |125| den Krieg auch in dem Sinne modern, dass Erfolg im Kampf immer weniger eine Frage der sozialen Stellung und des Reichtums, sondern der Ausrüstung war: Mit einer Büchse konnte auch ein einfacher Bauernjunge einen hochedlen Ritter vom Pferd schießen.
    Fußkämpfer
    Die modernste Waffengattung des Mittelalters waren insofern die Fußkämpfer, als sie gegen Ende dieser Zeit und über weite Strecken der Neuzeit die Schlachtfelder Europas dominierten. Im militärischen Sinne wurde der Krieg vorrangig zu einem Krieg der Fußgänger; Reiter flankierten deren Einsatz im Wortsinne, waren aber nicht mehr die Waffengattung, auf die alle anderen Aktionen abgestellt wurden, wie dies noch über weite Strecken des Mittelalters der Fall gewesen war.
    In diesem Punkt ähneln sich die Kriege der römischen Antike und die der Neuzeit. Beide wurden von großen Verbänden von
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