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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde
Autoren: Martin Clauss
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Pferd gibt es keinen Ritter.
    Das adlige Rittertum geht zurück auf die zunehmende militärische Bedeutung des Reiterkampfes etwa ab dem 8. Jahrhundert. Reiterkrieger, die vom Pferd aus kämpften, waren eine effiziente Waffengattung und in manchen Belangen den Fußtruppen ihrer Zeit überlegen. Dies lag vor allem in der Kampfesweise aus erhöhter Position (also von oben nach unten), in der Schnelligkeit und Durchschlagskraft begründet. In früheren Zeiten kämpften die Reiter zwar auch mit der Lanze, legten diese aber nicht unter den Arm, um den Gegner zu rammen, sondern benutzten sie als Stich- oder Wurfwaffe, vergleichbar mit einem Speer. Mit einem gepanzerten Ritter, der mit eingelegter Lanze agiert, hat dies noch nicht viel zu tun. Hierzu bedurfte es des Zusammenspiels verschiedener Entwicklungen: Das Hufeisen schützt die Hufe des Pferdes und erlaubt so die Züchtung schwererer und größerer Tiere (etwa ab dem 9./10. Jahrhundert); der Steigbügel gibt dem Reiter festen Halt und erleichtert so den Angriff mit eingelegter Lanze (etwa ab dem 8. Jahrhundert); eine spezielle Sattelform (umschließender Sattel) garantierte durch einen Sattelbogen hinten und einen Sattelknauf vorn einen sicheren Sitz (etwa ab 11./12. Jahrhundert).
    |116| Aufgrund ihrer Ausrüstung waren Reiterkrieger nicht nur effizient, sondern auch teuer. In den hohen ökonomischen Anforderungen an diese Kämpfer liegt die Wurzel für die Verbindung von gesellschaftlichem Stand und Reichtum mit einer herausragenden Stellung im Kampfverband, die typisch für das Mittelalter ist. Die teure Ausstattung machte Kämpfen zu Pferd zu einem Privileg der Reichen. So legte etwa Karl der Große im Zuge seiner Heeresreform im Jahr 808 fest, dass nur solche Freien zum berittenen Kriegsdienst verpflichtet werden sollten, die vier Hufen Land (etwa 40–60 Hektar) besaßen. Ärmere Untertanen mussten sich zusammenschließen, um einen aus ihrer Mitte auszustatten. In den folgenden Jahrhunderten wurde als Grundlage für den berittenen Kriegsdienst das Lehen gegenüber dem Eigenbesitz (Allod) immer wichtiger. Vasallen erhielten von ihrem (Kriegs-)Herrn Land (und Leute) und waren im Gegenzug zum Kriegsdienst verpflichtet. Mit der Zeit bildete sich so eine geschlossene Schicht heraus, die sich zunächst sozial und militärisch von den übrigen Kämpfern abhob: Die berittenen Krieger
( milites
) waren Vasallen und kämpften als sogenannte Panzerreiter
( loricati )
.
    Im Verlauf des 11. Jahrhunderts trat – vor allem in Deutschland – eine weitere Bevölkerungsgruppe auf, die ihren sozialen Aufstieg der Verbindung von Krieg und Pferd verdankte: die Ministerialen. Diese ursprünglich Unfreien vermochten sich aufgrund des qualifizierten Dienstes, der sie für ihre Herren unentbehrlich machte, von den übrigen Unfreien abzugrenzen und im Verlauf des 12. Jahrhunderts sozial aufzusteigen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses qualifizierten Dienstes war der Kriegsdienst zu Pferd. Dieser erforderte neben den ökonomischen Mitteln, die im Falle der Ministerialen zunächst vom Dienstherrn gestellt wurden, auch entsprechendes Können.
    |117| Ritterkultur
    Diese sozial-militärischen Entwicklungen bilden den Hintergrund für die Ausbildung einer höfisch-ritterlichen Kultur in der sogenannten Blütezeit des Rittertums im 12. und 13. Jahrhundert. Etliche ihrer Elemente hatten einen direkten Bezug zur Gewaltkompetenz dieser Gruppe: Die Präsentationsformen waren eindeutig auf kriegerische Attribute ausgerichtet – wie Pferd, Schwert, Schild. In diesen Kontext fällt auch das mittelalterliche Wappenwesen (Heraldik).
    Zum Ritter im kulturellen Sinne wurde man durch eine Zeremonie, welche als Schwertleite und später als Ritterschlag bezeichnet wird.
    Die Schwertleite gab es in Frankreich schon vor 1100, der Ritterschlag kam im 13. Jahrhundert auf. Spätestens an diesem Punkt gilt es zwischen einem Ritter und einem Reiterkrieger zu unterscheiden. Zumindest in der Theorie und dem gruppendynamischen Anspruch nach war jeder Ritter auch ein Reiterkrieger. Nicht jeder Reiter, der vom Pferd aus kämpfte, war dagegen ein Ritter. Zwischen der idealisierten Welt des höfischen Rittertums und dem Krieg klafften beträchtliche Lücken. So zeigen sich zahlreiche Ritter etwa in ihrem Verhalten gegenüber besiegten Gegnern – wie gezeigt – wenig ,ritterlich‘.
    Das Rittertum hatte neben seinem standesgemäßen Verhaltenskodex auch eine ökonomische Komponente. Die Verbindung von sozialem Status
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