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Ritter 01 - Die Rache des Ritters

Ritter 01 - Die Rache des Ritters

Titel: Ritter 01 - Die Rache des Ritters
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aus. »Das ist bei Weitem die schlimmste Verwundung, die ich je bei einem Kind gesehen habe.«
    »Ist er tot?«
    »Nein, aber so gut wie, fürchte ich.« Gunnar hörte das Rascheln von Stoff, dann fühlte er, dass grober Wollstoff über ihn gebreitet wurde. »Halb tot oder nicht, ich werde ihn nicht hier draußen wie ein Tier verrotten lassen. Wenn ich ihn nicht heilen kann, werde ich ihm in seinen letzten Stunden zumindest ein wenig Trost spenden. Komm, hilf mir, ihn hochzuheben.«
    Seine Glieder waren taub von dem erlittenen Blutverlust, als Gunnar spürte, dass er hochgehoben wurde. Er hörte die schlurfenden Schritte der Männer im Gras, als sie ihn von der Stelle forttrugen, an der er gelegen hatte. Der süßliche Geruch von schimmeligem Gras stieg ihm in die Nase, ehe er fühlte, dass man ihn bäuchlings auf eine mit Stroh gepolsterte Trage legte. Seine Retter trugen ihn rasch über das Feld auf das Dorf zu.
    Jede Furche, in die sie traten, jede Vertiefung ließ ihn vor Schmerz fast ohnmächtig werden, aber sein gebrochenes Herz schlug beständig weiter. Mochte Gott ihm verzeihen, aber er wollte nicht leben. Er hatte sich als Feigling erwiesen; er verdiente es zu sterben. Zu leben bedeutete, jeden Tag aufs Neue seiner Schuld bewusst zu werden, seiner Ehrlosigkeit. Er war zu schwach; er konnte es nicht ertragen. Er betete um Erlösung von seinem Leid, von der Qual seiner Schande. Seine Familie war ausgelöscht, sein Heim zerstört. Welchen Grund gab es für ihn noch, zu leben? Welchen Sinn?
    Die Antwort kam rasch, leise zuerst, wie ein dunkles Wispern, das sich um ihn herum erhob, seine Seele mit schwarzen Schatten an die Erde band. Es rief nach ihm, flüsterte ihm zu durchzuhalten; flehte ihn an, zu kämpfen.
    Und als der Heiler ihn in seine Hütte trug und sich daran machte, die Wunden zu versorgen, wurde das Wispern lauter und eindringlicher, bis es Gunnars Bewusstsein erfüllte, sein Herz und seine Seele. Es war ein einziges Wort. Ein Mantra. Ein Schwur.
    Vergeltung.

1
    England, 1153
    Der Name Baron Luther d’Bussys war in aller Munde. Seit Wochen hatten Ausrufer die Kunde über das bevorstehende große Turnier bis in den entferntesten Winkel des Landes verbreitet, und die vielen Zelte und Pavillons, die auf der weiten Fläche vor Norworth Castle aufgeschlagen worden waren, waren ein Beleg sowohl für die Eitelkeit des Barons als auch für seine Umsicht. Überall flatterten Wimpel in den Farben der unabhängigen Kriegsherren und der Lords der benachbarten Baronien, die der Einladung gefolgt waren.
    In der sich herabsenkenden Dämmerung spazierten Männer, Frauen und Kinder – es mochten gut hundert sein – den breiten Weg entlang, der durch die Zeltstadt führte. Ganz am Ende dieses Weges trugen zwei Männer, bis auf ihre Hosen unbekleidet, zu den Jubelrufen eines kleinen Kreises entzückter Zuschauer einen Faustkampf aus. Überall waren prachtvoll gekleidete, arrogant wirkende Ritter zu sehen. Einige von ihnen wankten betrunken und mit einer Hure im Arm – mancher auch mit zweien – zu ihren Zelten. Jene Teilnehmer allerdings, die es ernst mit diesem Turnier meinten, und die pflichtbewussten Knappen kümmerten sich um die Pferde; andere saßen vor ihren Zelten und polierten ihre Rüstung oder überprüften die Waffen, die am folgenden Tag zum Einsatz kommen sollten.
    Inmitten dieses Trubels blieb ein Blitz unbemerkt, der in der Ferne aufzuckte.
    Er lief über den dunkler werdenden Himmel und spiegelte sich in einem Augenpaar wider, das nicht auf das geschäftige Treiben am Fuß des Hügels gerichtet war, sondern auf die Burg, die sich auf ihm erhob. Diese Augen blickten so kalt und finster wie der Wald, in dem sich der Mann verbarg, dem sie gehörten. Er kniff die Augen kurz zusammen, als er zu den düsteren Wolken hinaufschaute.
    Regen.
    Er hatte fast gleichzeitig mit dem Blitzschlag eingesetzt, fiel sanft auf das Blätterdach, unter dem der Mann sich aufhielt, schwoll dann aber zu einem kräftigen Sommerregen an. Die dunklen Wolken bewegten sich rasch auf die Zeltstadt zu. Ein Anflug von Unmut verzog die vollen Lippen, die bis dahin zu einer entschlossenen Linie zusammengepresst gewesen waren. Der heftige Regen würde eine Verzögerung für das morgige Turnier mit sich bringen und damit – schlimmer – eine Verzögerung der Einlösung seines Versprechens.
    Gunnar Rutledge fluchte, seine halb geflüsterten Worte wurden von einem lauten Donnergrollen verschluckt. Sein schwarzer Rappe tänzelte
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