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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander
Autoren: Larry Niven
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Idioten bei ihrer Arbeit gestört wurde.
    Also blieb ich draußen stehen und wartete, während ich mit meiner imaginären Hand eine Zigarette rauchte.
    Die Zigarette diente nur der Übung. Sie half mir, die mentalen Muskeln geschmeidig zu halten. Meine »Hand« war auf ihre Weise ebenso zuverlässig wie Julies Telepathie, aber vielleicht nur deshalb, weil die Reichweite der Hand so beschränkt war. Wenn man an seinen PSI-Kräften auch nur einen Augenblick lang zweifelt, sind sie verschwunden. Ein exakt definierter dritter Arm war viel leichter zu erklären als irgendeine imaginäre Fähigkeit, Gegenstände allein durch Willenskraft zu bewegen. Schließlich wußte ich genau, wie sich ein Arm anfühlte und wozu er imstande war.
    Warum ich so viel Zeit mit dem Heben von Zigaretten verbringe? Nun, ganz einfach: Eine Zigarette besitzt genau das Gewicht, das ich noch ohne Anstrengung halten kann. Und es gibt noch einen weiteren Grund … etwas, das Owen mir beigebracht hat.
    Zehn Minuten vor drei öffnete Julie die Augen, rollte sich von ihrer Liege und kam zur Tür. »Hi Gil«, sagte sie schläfrig. »Schwierigkeiten?«
    »Jepp. Ein Freund von mir ist gestorben. Ich dachte, du solltest es besser wissen.« Ich reichte Julie einen Becher Kaffee.
    Sie nickte. Wir hatten für den Abend eigentlich ein Date, doch nach meinem Erlebnis würde es anders ablaufen als geplant. Julie wußte das und sondierte mich vorsichtig.
    »Mein Gott!« sagte sie und zuckte zurück. »Wie … wie schrecklich! Es tut mir so leid, Gil. Unser Treffen müssen wir verschieben, stimmt’s?«
    »Es sei denn, du möchtest mir bei meinem zeremoniellen Bacchanal Gesellschaft leisten.«
    Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Ich kannte ihn doch gar nicht. Es wäre nicht richtig. Außerdem wirst du in deinen Erinnerungen schwelgen, Gil, und eine Menge davon ist ganz privat. Du würdest dich nur verkrampfen, wenn ich bei dir wäre. Wenn Homer Chandrasekhar dabei wäre, würde die Sache anders aussehen.«
    »Ich wünschte wirklich, Homer wäre da. Wie es aussieht, wird er sich allein betrinken müssen. Vielleicht zusammen mit ein paar von Owens Freundinnen, falls welche in der Nähe sind.«
    »Du weißt, wie ich fühle«, sagte sie.
    »Genau wie ich.«
    »Wenn ich dir nur helfen könnte, Gil.«
    »Du hast mir bereits geholfen«, antwortete ich und warf einen Blick auf die Uhr. »Deine Kaffeepause ist fast vorbei.«
    »Sklaventreiber!« Julie nahm mein Ohrläppchen zwischen Daumen und Zeigefinger. »Mach, daß Owen stolz wäre auf dich!« sagte sie und kehrte in ihr schalldichtes Büro zurück.
    Sie hilft immer. Sie muß nicht einmal reden dazu. Schon allein das Wissen, daß Julie meine Gedanken gelesen hat, daß es jemanden gibt, der mich versteht … allein das reicht mir.
    Es war drei Uhr nachmittags. Ich war ganz allein, als ich mein zeremonielles Bacchanal startete.
    Es ist ein junger Brauch, noch nicht durch Formalitäten geregelt. Es gibt keine festgelegte Dauer, keine vorgeschriebenen Trinksprüche, nichts. Wer teilnehmen will, muß ein enger Freund des Verstorbenen sein, doch es gibt keine vorgeschriebene Teilnehmerzahl.
    Ich fing im Luau an, einem Lokal mit kaltem blauem Licht und viel fließendem Wasser. Draußen war es halb vier nachmittags, doch hier drin war es ein Abend auf den Hawaii-Inseln, Jahrhunderte früher. Der Laden war bereits zur Hälfte gefüllt. Ich suchte mir einen Tisch in einer Ecke mit reichlich Ellbogenfreiheit und bestellte Luau-Grog. Der Drink kam, kalt, braun, alkoholreich und mit einem Strohhalm, der in einem Konus aus Eis steckte.
    Wir waren zu dritt gewesen bei Cubes Forsythes zeremoniellem Bacchanal vor vier Jahren in einer dunklen Nacht auf Ceres. Eine komische Truppe waren wir gewesen, Owen und ich und die Witwe unseres dritten Besatzungsmitglieds. Gwen Forsythe hatte uns die Schuld am Tod von Cubes gegeben. Ich war gerade erst aus dem Hospital entlassen worden, mit einem rechten Arm, der direkt unterhalb der Schulter endete, und nach meiner Meinung waren Cubes und Owen und ich alle gleich schuldig. Selbst Owen war in einer düsteren, verschlossenen Stimmung gewesen. Wir hätten uns damals kein schlimmeres Trio und keine schlimmere Nacht als jene aussuchen können.
    Doch der Brauch hatte gerufen, und da waren wir. Damals wie heute bemerkte ich, wie ich meine Persönlichkeit nach der Wunde abtastete, die ein dahingeschiedenes Besatzungsmitglied, ein gestorbener Freund hinterlassen hatte. Ich war ganz in mich selbst
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