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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander
Autoren: Larry Niven
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mir kein Transplantat leisten.«
    Owen hatte gar nicht erst versucht, mir Geld zu leihen. Es wäre eine Beleidigung gewesen, selbst wenn er die nötigen Mittel besessen hätte. »Und was ist an einer Prothese so verkehrt?«
    »Ein eiserner Arm? Tut mir leid, auf keinen Fall. Ich bin ein wenig zimperlich.«
    Owen sah mich ganz merkwürdig an, doch alles, was er erwiderte, war: »Schön, warten wir eben eine Zeit lang. Vielleicht änderst du deine Meinung ja noch.«
    Er hatte mich nicht gedrängt. Damals nicht und auch nicht später, nachdem ich aus dem Hospital entlassen worden war und mir eine Wohnung gemietet hatte, während ich darauf wartete, daß ich mich an das Fehlen eines Arms gewöhnte. Doch wenn er geglaubt hatte, daß ich mich irgendwann mit einer Prothese würde zufrieden geben können, so hatte er sich geirrt.
    Warum? Das ist keine Frage, die ich beantworten könnte. Andere denken offenbar anders als ich; es gibt Millionen von Leuten, die mit Körperteilen aus Metall und Silikon herumlaufen. Teils Mensch, teils Maschine – wie wollen sie wissen, welcher Teil davon die echte Persönlichkeit darstellt?
    Ich bin lieber tot als zum Teil aus Metall. Nennen Sie mich meinetwegen schrullig. Nennen Sie es meinetwegen auch schrullig, wenn ich auf einen Ort wie Monica Appartements mit einer Gänsehaut reagiere. Ein menschliches Wesen sollte durch und durch Mensch sein. Es sollte Gewohnheiten und Besitztümer haben, die einzigartig für dieses Wesen sind, es sollte nicht versuchen, sich wie jemand anders zu verhalten oder wie jemand anders auszusehen, und vor allen Dingen sollte es nicht zur Hälfte Roboter sein.
    Und da war ich also, Gil ohne Arm, und lernte mit der linken Hand zu essen.
    Ein Amputierter verliert niemals zur Gänze, was er verloren hat. Meine fehlenden Finger juckten. Ich bewegte mich so, daß ich nicht mit dem fehlenden Ellbogen gegen scharfe Kanten stieß. Ich griff nach Dingen – und fluchte, wenn ich sie nicht zu packen bekam.
    Owen hatte damals gefaulenzt, obwohl seine Rücklagen inzwischen fast aufgebraucht sein mußten. Ich bot ihm weder an, mein Drittel des Schiffs zu verkaufen, noch verlangte er es von mir.
    Ich kannte ein Mädchen, an dessen Namen ich mich heute nicht mehr erinnere. Eines Nachts war ich bei ihr zu Hause und wartete darauf, daß sie fertig angezogen war – wir hatten uns zum Essen verabredet –, als mir eine Nagelfeile auffiel, die sie auf dem Tisch liegen gelassen hatte. Ich hob sie auf. Fast hätte ich versucht, mir die Nägel zu feilen, doch in letzter Sekunde erinnerte ich mich. Verärgert warf ich die Feile auf den Tisch zurück – und verfehlte ihn.
    Wie ein Schwachkopf hatte ich versucht, die Feile mit der rechten Hand aufzufangen.
    Und ich hatte sie gefangen.
    Ich hatte niemals zuvor auch nur vermutet, über psychische Kräfte zu verfügen.
    Man muß sich in einer ganz besonderen geistigen Konzentration befinden, um eine PSI-Kraft einzusetzen. Andererseits – wer, wenn nicht ich, hatte jemals über günstigere Voraussetzung verfügt als ich in jener Nacht, mit einer ganzen Hirnsektion, die auf die Nerven und Muskeln meines rechten Arms fixiert war, eines Arms, den es nicht mehr gab?
    Ich hatte die Nagelfeile in meiner imaginären Hand gehalten. Ich hatte sie gespürt, genauso, wie ich gespürt hatte, daß meine fehlenden Fingernägel lang und länger geworden waren. Ich war mit dem imaginären Daumen über die Feile gefahren und hatte die Feile in meinen Fingern gedreht. Telekinese zum Bewegen, Esper zum Berühren.
    »Das ist es!« hatte Owen am nächsten Tag gesagt. »Das ist alles, was wir brauchen. Ein neues Besatzungsmitglied und du mit deinen unheimlichen Kräften. Du übst und findest heraus, wie stark dieser Arm ist. Ich gehe los und suche einen passenden Mann.«
    »Er wird sich mit einem sechstel Netto begnügen müssen. Cubes’ Witwe verzichtet ganz bestimmt nicht auf ihren Anteil.«
    »Mach dir deswegen keine Gedanken. Ich werde die Sache schon schaukeln.«
    »Mach dir keine Gedanken, pah!« Ich fuchtelte ihm mit einem Bleistiftstummel vor dem Gesicht herum. Selbst in der geringen Gravitation des Ceres war es der schwerste Gegenstand, den ich bewegen konnte – damals. »Meinst du vielleicht, Telekinese und Esper könnten einen richtigen Arm ersetzen?«
    »Das ist sogar besser als ein richtiger Arm! Du wirst schon sehen. Du wirst imstande sein, durch deinen Anzug nach draußen zu greifen, ohne daß dabei Druck entweicht. Welcher Belter kann das
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