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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander
Autoren: Larry Niven
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bei Scotch und Soda angelangt. In der Zwischenzeit war ich von einer Bar in die nächste gegangen. Im Bergin’s hatte ich Irish Coffee getrunken, im Moon Pool kaltes, rauchendes Zeug, und im Beyond hatte ich Scotch zu lauter wilder Musik genossen. Ich schaffte es nicht, betrunken zu werden, und ich fand auch einfach nicht die richtige Stimmung. Eine Barriere stand zwischen mir und dem Bild, das ich heraufzubeschwören versuchte.
    Es war die Erinnerung an den toten Owen, der grinsend in seinem Lehnstuhl gesessen hatte, einen Draht im Kopf.
    Diesen Owen hatte ich nicht gekannt. Ich hatte diesen Mann niemals kennen gelernt und hätte auch nicht das geringste Bedürfnis danach verspürt. Von Bar zu Nachtklub zu Restaurant hatte ich versucht, vor diesem Bild zu entfliehen, während ich darauf wartete, daß der Alkohol die Barriere einriß, die Vergangenheit und Gegenwart voneinander trennte.
    Und so saß ich an einem Ecktisch, umgeben von den 3D-Panoramabildern eines so nicht existierenden Mars. Kristalltürme und lange, schnurgerade blaue Kanäle, sechsbeinige Tiere und schöne, unglaublich schlanke Menschen, Männer wie Frauen, die mich über das Niemandsland hinweg anstarrten. Hätte Owen das Bild traurig oder lustig gefunden? Er hatte den echten Mars gesehen, und der Planet hatte ihn kalt gelassen.
    Ich hatte das Stadium erreicht, in dem die Zeit diskontinuierlich verläuft, in dem sich zwischen den Ereignissen, an die man sich später erinnern kann, sekunden- oder gar minutenlange Lücken auftun.
    Irgendwann im Verlauf dieser Phase stellte ich fest, daß ich geistesabwesend auf eine Zigarette starrte. Ich mußte sie erst Augenblicke zuvor angezündet haben, weil sie kaum abgebrannt war. Vielleicht war ein Kellner hinter mir herangeschlichen. Da war sie nun jedenfalls und brannte zwischen meinem Mittel- und meinem Zeigefinger.
    Ich starrte auf die Glut, und die Stimmung senkte sich schwer auf mich herab. Ich war ruhig, ich trieb dahin, ich verlor mich in der Zeit …
     
    … Wir waren seit zwei Monaten zwischen den Felsen. Es war unser erster Trip nach draußen seit dem Unfall. Wir kamen zum Ceres zurück mit einem Frachtraum voller Gold, fünfzig Prozent rein, garantiert geeignet für Leiterplatinen und rostfreie Verdrahtungen. Bei Anbruch der Nacht waren wir bereit zu feiern.
    Wir wanderten am Stadtrand entlang. Neonlichter und Leuchtreklame blinkten zur Rechten, eine geschmolzene Felsenklippe zur Linken, und Sterne funkelten durch die Kuppel über uns. Homer Chandrasekhar schnaubte fast vor Ungeduld. In jener Nacht kam er von seinem ersten Trip zurück, und die Heimkehr ist der beste Teil von allem.
    »Wir trennen uns spätestens um Mitternacht«, sagte er. Er brauchte sich nicht deutlicher zu äußern: Drei Männer, die zusammen durch die Gegend zogen, waren möglicherweise drei Piloten von Einmannschiffen, doch die Chancen standen nicht schlecht, daß sie die Besatzung eines Schiffes waren. Sie besaßen noch keine Lizenz für ein eigenes Schiff; entweder waren sie zu dumm dazu oder zu unerfahren. Falls wir uns mit dem Gedanken trugen, die Nacht in weiblicher Gesellschaft zu verbringen …
    »Du hast nicht gründlich genug nachgedacht«, antwortete Owen. Ich sah Homers überraschtes Gesicht, dann seinen raschen Seitenblick auf meinen Armstumpf … und war mit einem Mal verlegen. Ich brauchte keine Schiffskameraden, die mir das Händchen hielten, und in meinem Zustand würde ich sie höchstens bremsen. Bevor ich noch den Mund zu einem Protest öffnen konnte, fuhr Owen fort: »Wir haben hier eine unschlagbare Nummer. Wir wären Idioten, wenn wir das einfach ignorieren würden. Gil, nimm eine Zigarette aus der Packung. Nein, nicht mit der Linken …«
    Ich war betrunken, stockbetrunken, und ich fühlte mich unsterblich. Die dünnen Marsianer schienen sich in den 3D-Wänden zu bewegen, den Wänden, die scheinbar eine Panoramaaussicht auf den Mars gewährten, den es so niemals gegeben hatte und niemals geben würde. Zum ersten Mal in jener Nacht hob ich mein Glas zu einem Toast.
    »Auf Owen, von Gil dem Arm. Danke, Owen.«
    Ich nahm die Zigarette in meine imaginäre Hand.
    Wahrscheinlich denken Sie nun, daß ich sie zwischen meinen imaginären Fingern hielt. Die meisten Menschen haben den gleichen Eindruck, doch dem ist nicht so. Ich hielt sie im Gegenteil ganz würdelos in der imaginären Faust. Die Glut konnte mich nicht verbrennen, selbstverständlich nicht, doch sie fühlte sich trotzdem an wie heißes Blei.
    Ich
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