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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische
Autoren: Heinrich Steinfest
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peinliche Details in Erfahrung zu bringen. Die illegale Wegstrecke des Lifts blieb im Mysterium verhaftet, gleich einem abgebrochenen Schlüssel, dessen Bart im Schloß steckt, was dann quasi auf ein Einfrieren der Verschlüsselung hinausläuft.
    Der einzige sinnvolle Hinweis bestand darin, daß die beiden Barwicks angaben, jenen Nummerncode aus vier Zahlen, der möglicherweise den Begriff odyb bezeichnete, einem Mann zu verdanken, dem sie Jahre zuvor ebenfalls bei dessen Suizid zur Seite gestanden waren. Und zwar in einem Sinne, der ihrer Aufgabe als »Dekorateure« voll entsprochen hatte.
    Jener Mann hatte um den unterirdischen See gewußt und diesen als Ort seines Todes und seines Grabes erwählt. Er war ins Wasser gegangen. Allerdings ohne wieder aufzutauchen. Begleitet von schwimmenden Kerzen und schwimmenden Blumen und ein paar nackten Damen (die freilich am Leben blieben) sowie Händels Wassermusik. Alles sehr gediegen. Man konnte also auch »ins Wasser gehen«, ohne gleich trübsinnig zu werden.
    Die Existenz von Haien war damals bloß kolportiert worden. Eine Rückenflosse aber hatte niemand zu Gesicht bekommen.
    Bei jenem stilbewußten Selbstmörder hatte es sich um einen nicht weiter bedeutenden Geschäftsmann gehandelt, der nie in seinem Leben etwas mit Aufzügen oder Hochhäusern zu tun gehabt hatte.
    Das Ganze ging schon sehr in Richtung einer dieser Freimaurergeschichten. Wobei die Freimaurer natürlich immer dann ins Spiel kamen, wenn man nicht weiterwußte und das Unwissen wenigstens mittels eines Begriffs zu kompensieren versuchte.
    Lukastiks Motto jedoch lautete: Kein Zweifel an der Enträtselung. Schließlich war er hier der Patient und bestimmte somit die Themen. Was er nun auch tat, indem er meinte, eigentlich hätte dieser Fisch einen eigenen Namen verdient. Selbst wenn dessen zoologische Existenz niemals das Licht offizieller Wissenschaft erblicken würde.
    »Stimmt«, sagte Slatin, »daran mußte ich auch schon denken. Es wäre jetzt das zweite Mal, daß ich meinen Teil zur Entdeckung eines neuen Fisches beitrage. Wenn man meine Analyse des Zahnsplitters berücksichtigt. Ich habe die Richtung vorgegeben. Die richtige Richtung noch dazu. Wann kommt so was schon vor?«
    »Da gehe ich absolut d’accord mit Ihnen, Professor «, sagte Lukastik, obgleich Slatin eine solche Anrede gar nicht zustand. Und doch war dieser Titel – dessen Klang – ein Teil von Slatins Wesen, wie man das etwa von der natürlichen Haarfarbe eines Mannes mit Glatze behaupten kann. Denn eine Glatze schließt selbstredend eine natürliche Haarfarbe nicht aus. Ein Professor war man oder war man nicht. Mit einer faktischen Professur hatte das herzlich wenig zu tun.
    Slatin überging wohlwollend die unberechtigte Titulierung seiner Person und erklärte, sich überlegt zu haben, daß Bezeichnungen wie Sharks Pool Whaler oder Alterlaa-Hai zwar vom sachlichen Standpunkt entsprechen würden, ihnen aber jene poetische Note fehle, welche dieser herrliche blinde Fisch unbedingt verdiene.
    »Slatin«, sagte Slatin, »finde ich, ist ein durchaus poetischer Name. Auch wäre es angebracht, nach so vielen Jahren doch noch einen Hai nach mir zu benennen. Warum also nicht von einem Slatinhai sprechen?«
    »Ja, daran wollen wir uns halten«, meinte Lukastik. »Freilich wird das unter uns beiden bleiben müssen.«
    »Das geht in Ordnung. Ich hoffe nur, daß man darauf verzichten kann, die gesamte Population der Slatinhaie auszurotten.«
    »Sieht schlecht aus«, sagte Lukastik. »Man wird sicher versuchen, sämtlicher Tiere habhaft zu werden. Und ich glaube nicht, daß geplant ist, dabei Gefangene zu machen. Außerdem sollen große Teile des Sees und der Gewölbe mit Beton ausgefüllt werden. Das versteht sich von selbst. Eine Frage der Sicherheit. Jeglicher Sicherheit.«
    »Selbstverständlich«, meinte Slatin bitter. »Da kann man auf ein paar Fische keine Rücksicht nehmen.«
    »Ich hätte Ihnen so viel Sentiment gar nicht zugetraut.«
    »Sie haben recht«, sagte Slatin, »ich vergesse mich. Das muß nicht sein.«
    »Ich nehme an«, äußerte Lukastik, während der an seinen Körper angeschlossene Computer orakelhaft zirpte, »man hat Sie in dieser Sache zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet.«
    »Es gibt Kollegen von Ihnen, Herr Lukastik, die einen absonderlichen FBI-Habitus an den Tag legen. Nicht, daß man mich bedroht hätte. Es ist diese Art der Andeutungen, diese blumige Sprache, die sich in wackeligen Bildern erschöpft. Das
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