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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen
Autoren: Clemens Brentano
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Strümpfe angehabt. In solch schönen Jugenderinnerungen blieb ich wie versteinert stehen. Da faßte mich die Bauernmagd mitsamt dem Gras, in dem ich stand, und schnitt es mir unter den Füßen weg und steckte mich in ihre Schürze. Die Überraschung, die Macht der Erinnerung und der betäubende Heudunst hatten mich berauscht. Ich entschlummerte, und sie warf mich ihrer Geiß vor, welche mich samt dem Heu gierig hinunterfraß; da ich erwachte, war ich in dem Bauche der Geiß, wo es mir gewaltig widerwärtig zu Mute war. Ich kniff die Geiß und quälte sie so, daß die Bäuerin, der sie gehörte, glaubte, die Geiß wolle toll werden, und sich entschloß, sie zu schlachten. Als sie in den Stall kam und die Geiß schlachten wollte, schrie ich immer: »Hier bin ich! hier bin ich!« Aber sie hörte mich nicht, schlachtete die Geiß und hackte eine Wurst aus ihr. Unter dem Hacken war ich in Todesangst und schrie immer: »Ich bin hier! ich bin hier! hackt nicht zu tief!« Aber sie hörte mich während dem Geklapper der Hackmesser nicht und füllte mich in die Wurst und hing mich in den Rauch. Da kam aber eine Eule nach einiger Zeit und stahl die Wurst, und als sie daran fraß, bekam ich Luft und lief von neuem fort auf die Wanderschaft.
    Vor allem lief ich auf die Wiese, wo ich meinen Apfel hatte liegen lassen, und fand ihn auch wieder gesund und rot, was mir ein gutes Zeichen schien für das Wohlsein meiner Liebsten. Da ich aber bereits mit meinem Apfel wieder in der Nähe von Mainz war, erwischte mich ein Fuchs und fraß mich mitsamt dem Apfel in einem Schluck hinunter. Nun rief ich immer: »Herr Fuchs! ich bin hier!« Er fragte: »Wo?« Ich sagte: »In Eurem Bauch; o laßt mich frei!« – »Ja!« sagte er, »wenn du mich in einen guten Hühnerhof bringen willst.« – »Ja!« sagte ich; und nun sagte ich ihm den Weg nach meiner Liebsten Wohnung; er schlich sich nachts in ihren Hühnerstall; da sie aber gerade darin war, mit einer Mistgabel den Stall zu reinigen, stach sie ihn damit in den Hals, und als der Fuchs tot war, schrie ich immer:
    Liebstes Röschen! ich bin hier, Ich bin hier!
Ich bringe dir den Apfel rot;
Ach, helfe mir aus meiner Not!
    Da schnitt sie den Fuchs auf, und ich fiel ihr zu Füßen, und sie heiratete mich, und ich ward Meister hier in Mainz, und sie gebar mir ein Söhnlein, genannt Garnwichserchen.

Informationen zum Autor
    Clemens Brentano
    Geboren am 8.9.1778 in Ehrenbreitstein. Clemens Brentano ist der Bruder von Bettina von Arnim. Er studierte in Halle und Jena und verkehrte mit Wieland, Herder, Goethe, F. Schlegel, Fichte und Tieck. 1801 zog er nach Göttingen, dort verband ihn eine Freundschaft mit Achim von Arnim. 1804 zog er nach Heidelberg um und war Mitarbeiter an Arnims “Zeitungen für Einsiedler” und “Des Knaben Wunderhorn”. In den Jahren 1808-1818 lebte er meist in Berlin, von 1819-1824 in Dülmen/Westfalen. Clemens Brentano starb am 28.7.1842 in Aschaffenburg.
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    Werke u.a.
1801 Godwi
1805 und 1808 Des Knaben Wunderhorn (3 Bände)
1838 Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl
1838 Gockel, Hinkel und Gackeleia
1854 Gedichte

Impressum
    Verlag: ekz.bibliotheksservice GmbH, Reutlingen
    Ebook erstellt durch epublius GmbH , Berlin
    ISBN: 978-3-95608-001-2
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