Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen
Autoren: Clemens Brentano
Vom Netzwerk:
er schrie:
    Wer, Kuckuck, ist in meinem Helm?
    Schrie ich wieder:
    Ich beiß die Hand dir ab, du Schelm;
Ich bin der Ritter Siebentot,
Freß sieben auf ein Abendbrot.
    Er sprach:
    Ach teurer, lieber Held!
Erbarmt Euch mein und laßt mich los,
Ich zahle Euch ein Lösegeld,
Soviel ihr wollt, wärs noch so groß.
    Ich sprach:
    Erst sagt mir, wer ihr seid,
Und ob es nach Paris noch weit?
    Er sprach:
    Ich bin der Prinz Burgund,
Der hier auf Wache stund,
In einem Schloß, nicht weit von hier,
Ist jetzt des Königs Hofquartier;
Das englisch Einhorn tobt im Land,
Drum hat der Hof sich hergewandt;
Ich mußte hier auf Wache stehn,
Und wollt ein wenig baden gehn;
Nun kam ich wieder in dem Hemd,
Da habt ihr mich so eingeklemmt.
    Ich sprach:
    Ihr haltet schlechte Wacht,
Nehmt Euren Posten schlecht in acht.
Doch tut mir einen Schwur und Eid,
So helf ich Euch aus Euerm Leid.
Geht, sagt dem König: im Walde ruht
Ein Held von königlichem Blut,
Er tötet meistens alle Tag
Wohl sieben Helden auf einen Schlag,
Er heißt der Ritter Siebentot;
Sein Wappen ist ein Apfel rot,
Er bietet seinen Feinden Trutz
Und nimmt den König in den Schutz;
Er will vom Renntier ihn befrein,
Wenn er ihm giebt sein Töchterlein;
Und daß die Jungfrau nicht erschrickt,
Wenn sie den großen Held erblickt,
Will er in zierlichster Gestalt
Sich geben ganz in ihre Gewalt;
Er will eine Puppe fein,
Ihr Freund und artig Spielwerk sein.
    Kaum hatte der Prinz diese Worte gehört, als er hoch und teuer schwur, alles zu tun, was ich befehle, wenn ich ihm die Hand nicht abbeißen wollte. Ich sagte ihm: »Wohlan, mein teurer Prinz von Burgund, so ziehet Eure Hand zurück; ich will, weil Ihr Euch billig finden lasset, Euch auch nicht entehren, ich will gleich meine artige kleine Gestalt annehmen und vor Euch hintreten, wie ich die Rettung von Frankreich vornehmen will; ziehet Euern Harnisch wieder an, gehet an den Hof und saget: daß ich Euch besiegt, daß ich aber, weil Ihr Euch so brav gehalten, Euch freigelassen und zu meinem Abgesandten zum König gemacht, dem ich meine Hülfe durch Euch anbiete.« Nun ließ ich seine Hand los und sprang mit gleichen Beinen aus dem Harnische heraus, wo er sich dann überaus über meine kleine artige Gestalt erfreute und mir sagte, daß ich ihn hier wieder erwarten sollte, worauf er sich an den Hof begab.
    Ich saß nun im Gras und dankte Gott, daß er mir so herrliche Gesinnungen eingeflößt. Mit meinen Verheißungen wird es sich auch schon finden, dachte ich und sah nur immer meinen lieben roten Apfel recht an, welcher meinen Mut ungemein stärkte.
    Sieh! da kam alsbald eine schöne Gesandtschaft von vornehmen Hofkavalieren, den Prinzen von Burgund an ihrer Spitze, zu mir her und luden mich von Seiten Ihrer Majestät sehr höflich ein, in das Schloß zu kommen. Sie hatten einen goldenen Sessel bei sich, ich sprang sogleich mit meinem Apfel darauf und ließ mich an den Hof tragen. Noch am Abend ward ich dem König und der Prinzessin vorgestellt, die sich sehr über meine Gestalt wunderte und einmal über das anderemal sagte: »O le petit drôle, qu’il est joli! qu’il est petit-maître!« Das schmeichelte mir sehr, und der König versprach mir noch am Abend seine Tochter, wenn ich das Einhorn erlegen würde. »Ich kenne das Einhorn, Euer Majestät!« sprach ich, »ich habe es gesehen, als ich auf der Hochzeit der langen Nacht und des langen Tages war, welche zwischen Calais und Dover gefeiert wurde, wo jetzt der Kanal de la Manche ist. Saget mir doch, wodurch hat sich denn der Streit mit ihm entsponnen?« – »Das ist ein sehr kritischer Fall,« sagte der König, »den alle Juristen nicht entscheiden könnten. Das Einhorn hatte einen schönen Garten auf seiner Seite, Bretagne genannt; als nun plötzlich die Erde zwischen den zwei Ländern brach und das Meer sich durchstürzte, riß das Meer jenen Garten hinweg und führte ihn herüber auf meine Seite, wo mein Hahn seine Wohnung hatte, und so ist das Einhorn morgens auf dieser Seite erwacht in seinem Garten. Da aber mein Hahn morgens in seinen Garten gehen wollte, fand er ihn nicht mehr. Das Land hatte sich verwandelt, der Garten des Einhorns lag auf seinem Garten. Nun begann ein Streit, wer hier der Herr sei. Der Hahn sagte: ‘Hier habe ich immer gewohnt, hier ist meine Grenze, hier ist mein Himmel.’ Das Einhorn sagte: ‘Dieser Garten ist mein, diese Bäume hab ich gepflanzt, diese Felder hab ich gesäet.’ Der Hahn sagte: ‘Trage deinen Garten hinweg!’ Das Einhorn sagte:
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher