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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen
Autoren: Clemens Brentano
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ordnete er den Heerzug folgendermaßen: vor der ganzen Schar wurde der eroberte Ziegenschwanz an einer Elle als Ehrenfahne und Feldzeichen hergetragen; dann folgten die Schleuderer, Wachsknollen und Knopfformen in Schleudern von Tuchenden schwingend; dann folgten die leichten Truppen, mit Nähnadeln und Scheren bewaffnet; dann die schwere Garde, mit Stopfnadeln, Ellen und Bügeleisen und Fingerhüten gerüstet. Mir selbst hatte mein Vater das Siegeszeichen, den Geißenschwanz, anvertraut zu tragen, weil ich auch von königlichem Geblüt war. Unser Schlachtgesang war die Hymne, die ich auf meines Vaters Heldentat gemacht; nicht darf ich vergessen, daß unter dem Geißenschwanz das blutige Hemd, worin sich mein Vater gegen die Laus geschlagen, als Fahne befestigt war mit der Inschrift: Laus deo soli atque sartori, Gloria victoria sartoria. So zogen wir unter den Glückwünschen der Amsterdamer aus der Stadt dem Riesen entgegen.
    Als wir aber kaum eine kleine Meile über den Damm hingezogen waren, ließen wir rekognoszieren, und es ward gemeldet, daß ein entsetzliches Ungeheuer mit einem beinernen Haus auf dem Buckel quer über dem Damm liege. Als drei kühne Helden mit Nadeln nach ihm gestochen, habe es plötzlich ein paar ungeheure Hörner herausgestreckt, daß die drei Braven vor Schrecken niedergefallen; die andern seien sogleich zurück, um es zu melden.
    Nun sendete mein Vater ein Hundert Freiwilliger voraus, um den Weg von dem Umgeheuer zu befreien, und zog ihnen dicht auf den Füßen nach. Als wir auf die Stelle kamen, war die Schnecke bereits quer über den Damm weggekrochen. Wir sahen sie unten im Grunde und ließen sie ruhig ihren Weg fortsetzen, weil man dem fliehenden Feind goldene Brücken bauen soll. Die drei Braven retteten wir; sie klebten auf dem Wege fest im zähen Schleim, mit welchem das Ungeheuer seinen Weg bezeichnet hatte. Da sie zurück in das Hospital gebracht waren, schlug man eine Brücke mit Ellen, die auf Bügeleisen ruhten, und kam glücklich über den Morast.
    Nun hörte man den Riesen immer lauter schnarchen, und mein Vater hielt Kriegsrat; in dem beschlossen wurde, daß das ganze Heer sich die Ohren mit Baumwolle zustopfen solle, um den Mut nicht zu verlieren, und dann wollten sie dem schlummernden Riesen die Nasenlöcher und den Mund zunähen, daß er ersticken müßte. Aber der Himmel hatte es anders verfügt. Die treulosen Juden, um sich für ihre gestrige Niederlage zu rächen, hatten dem Riesen den verhaßten Sündenbock zum Sukkurs geschickt. Plötzlich trat uns der Schelm am Wege meckernd entgegen, und ergrimmt, seinen Schwanz an unsrer Fahne zu sehen, stellte er sich in Positur. Das ganze Heer der Schneider ergriff die Flucht und eilte in eine tiefe Höhle, die sich ihnen glücklicherweise am Wege gegenüber darbot; mich aber nahm der Bock auf seine Hörner und schleuderte mich hoch durch die Luft, daß mir Hören und Sehen verging. Ich fiel glücklicherweise in des Riesen Bart nieder und litt keinen Schaden; aber als ich drin zappelte, mich loszumachen, erwachte der Bursche, richtete sich auf, nahm sein Schwert, das wie ein Strom von blankem Stahl neben ihm im Grase lag, griff dann nach der Scheide, die auf der andern Seite lag, und stieß es hinein, wobei der Degen etwas knirschte. Da er dies bemerkte, sagte er: »Was Kuckuck! da ist mir Dreck in die Scheide gekommen«, und zog den Degen wieder heraus. Aber Himmel! welch jämmerlichen Anblick hatte ich da! Die beiden Seiten des verfluchten Schwertes hingen voll Blut und zerquetschten Leichnamen: es war die Scheide jene unglückliche Höhle gewesen, in die das tapfere Heer der Schneider sich gerettet hatte, welches Blut nun aber, durch des Riesen Schwert jämmerlich vergossen, um Rache schrie. »Hum,« sagte der Riese, »das ist eine kuriose Schmiere!« und da der Bock dastand, ließ er ihn den Säbel ablecken. Mir tat dieser Anblick so jämmerlich weh im Herzen, daß ich laut aufschrie: »O barmherziger Himmel! welch gräßliches Schauspiel!« Der Riese bemerkte mich und sagte: »Ei, du kurioses kleines Kerlchen! wie kommst du in meinen Bart?« Worauf ich niederkniete in sein Ohr und ihm alles erzählte, was gestern und heute in Amsterdam vorgefallen sei und wie er das unüberwindliche Heer der Schneider zerquetscht. Als er mich vom langen Tag erzählen hörte, fing er heftig an zu weinen, und wäre ich nicht in seinem Ohr gesessen, so wäre ich verloren gewesen; denn die Tränen liefen ihm in zwei ungeheuren Wasserströmen
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