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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund
Autoren: S Kronenberg
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auf die Knie. »Trotzdem glaube ich, dass meine Tochter lebt. Irgendwo auf der Welt. Bevor ich sterbe, will ich Gewissheit. Ich dachte, dass gerade Sie … Sie haben selbst erlebt, wie es ist, wenn ein geliebter Mensch nicht nach Hause kommt.«
    Rundfunk und Regionalfernsehen hatten, ebenso wie der ›Wiesbadener Kurier‹ und das ›Tagblatt‹, über das Geschehen im August berichtet, und der Prozess würde das Thema in die öffentliche Aufmerksamkeit zurückbringen.
    Entschlossen schob Norma jeden Gedanken daran zur Seite. »Persönliche Betroffenheit ist für eine Ermittlung nicht unbedingt von Vorteil.«
    »Vielleicht nicht für die Nachforschungen selbst. Aber für den Einsatz, mit dem Sie an die Aufgabe herangehen werden. Das erhoffe ich mir von Ihnen.«
    Norma vermutete, ein straff aufrechtes Kreuz war die einzige Haltung, in der es sich in diesem Möbelstück überleben ließ. Sie rutschte auf die Kante vor. »Was lässt Sie glauben, dass Marika noch leben könnte? Hat sie sich bei Ihnen gemeldet?«
    Ruth schüttelte den Kopf. »Das nicht. Aber ich bin überzeugt, sie ist in Tasmanien.«
    »Tasmanien! Ausgerechnet! Wie kommen Sie darauf?«
    Ruth sah auf und richtete den Blick ihrer klaren grauen Augen beharrlich auf Norma. »Neulich haben Bernhard und ich gestritten. Heftig gestritten.«
    »Weswegen?«
    »Zuerst ging es um Inga. Dazu müssen Sie wissen, dass meine Enkeltochter bei mir aufwächst, was oft nicht einfach ist. Ein Wort gab das andere, und bald stritten wir uns wegen Marika. Bernhard hat mir vorgeworfen, ich pflege ein allzu rosiges Bild von meiner Tochter. ›Hast du gewusst, dass sie eine Affäre hatte, deine feine Tochter!‹, schrie er. Er war völlig außer sich.«
    »Eine Affäre mit wem?«
    Ruth stieß die Luft aus, als machte ihr der Streit noch immer zu schaffen. »Der Mann heißt Kai Kristian Bieler. Kristian mit K.«
    Norma überlegte. Der Name wurde in den Polizeiakten nicht erwähnt.
    »Bieler stammt aus Dresden wie Bernhard und Martin«, erklärte Ruth.
    Ein Mann namens Martin tauchte in den Berichten auf, erinnerte sich Norma. »Sie sprechen von Martin Reber? Er war damals in der Agentur Ihres Schwiegersohns angestellt.«
    Ruth nickte zustimmend. »Das ist er noch heute. Martin ist der Lektor der Agentur. Alle drei waren eng befreundet; damals in der DDR. Bernhard und Martin kamen Anfang der 80er-Jahre nach Wiesbaden. Beide sind auf abenteuerliche Weise aus dem Land geflohen. Bieler musste bis zur Wende warten. Bernhard gab ihm Arbeit in der Agentur, obwohl Bieler …«
    »Was war mit ihm?«
    »Er war in keiner guten Verfassung. Psychisch, meine ich. Doch er fing sich mit der Zeit. Vier Jahre später bekam Bieler den Auftrag, Reiseberichte über Tasmanien zu drehen. Er reiste einige Wochen vor dem Tag ab, an dem Marika verschwand, und kehrte nicht mehr zurück. Mir ist nie aufgefallen, dass zwischen den beiden etwas war. Wenn doch, haben sie es gut verheimlicht.«
    Aber offensichtlich nicht vor dem Ehemann. Oder hatte er erst später davon erfahren? »Wo war Bernhard, als Marika ins Taxi stieg?«
    Ruths Blick wurde misstrauisch. »Wie meinen Sie das?«
    Norma lächelte freundlich. »Ich stelle nur die Fakten zusammen. Wie sollte ich mir sonst ein Bild machen?«
    »Natürlich, entschuldigen Sie. Bernhard war bei mir.«
    »Er war hier im Haus, während Marika abreiste?«
    »Nein, nein, er kam später. Auf meine Bitte hin. Ich hatte ihn angerufen. Bernhard war in seinem Fitnessclub. Dort hielt er sich zu der Zeit an jedem Freitagabend auf, wenn er es irgendwie einrichten konnte. Heutzutage ist er lieber auf dem Golfplatz unterwegs.«
    »Am besten erzählen Sie von Anfang an«, schlug Norma vor.
    Ruth atmete tief ein. »Also, Marika verabschiedete sich und stieg ins Taxi.« Sie hatte dem Wagen nachgesehen und anschließend die Kleine ins Bett gebracht. Inga war fiebrig und quengelte. Es dauerte eine Weile, bis sie Ruhe gab. Als das Kind schlief, ging Ruth in den Garten, um nach den Arbeiten an der Terrasse zu sehen. »Ein sehr nasser Winter lag hinter uns, und die alte Trockenmauer hatte nachgegeben, bis der Terrassenhang abrutschte. Der Garten sah verheerend aus. Eine neue Mauer musste her und der Hang wieder hergestellt werden. Ich hatte meinen Schwiegersohn gebeten, sich darum zu kümmern.«
    Die Männer hätten über mehrere Tage zügig gearbeitet, fuhr Ruth fort. Am Freitag war die Mauer gebaut, und der Bereich dahinter sollte am kommenden Montag mit Erde aufgefüllt werden. Die
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