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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit
Autoren: Alastair Reynolds
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System zu erreichen, zu dem man sie schickte, und dann war immer noch die Zeitverzögerung bei der asynchronen Kommunikation zu berücksichtigen. Mein Onkel richtete sich also auf eine Wartezeit von vierzig bis fünfzig Jahren ein, und das war noch optimistisch gerechnet.« Er hielt inne und nahm einen Schluck Wein. »Allzu optimistisch, wie sich herausstellte. Fünfzig Jahre vergingen … dann sechzig … doch nie wurde auf Yellowstone eine wichtige Meldung empfangen, jedenfalls nicht zu seinen Lebzeiten. Gelegentlich fanden die Sonden etwas von Interesse -aber jedes Mal waren andere menschliche Forscher bereits auf die gleiche Entdeckung gestoßen. Und je mehr Jahrzehnte vergingen, ohne dass die Abgesandten ihre Entwicklung gerechtfertigt hätten, desto weinerlicher und verbitterter wurde mein Onkel.«
    »Darauf wäre ich nie gekommen«, sagte Celestine.
    »Irgendwann starb er – voller Groll und Hass auf das Universum, das sich, wie er fand, einen schlechten kosmischen Scherz mit ihm erlaubt hätte. Mit den entsprechenden Therapien hätte er noch weitere fünfzig oder sechzig Jahre durchhalten können, aber er wusste vermutlich, dass das nur Zeitverschwendung gewesen wäre.«
    »Du hast vor einhundertfünfzig Jahren deinen Tod vorgetäuscht«, sagte ich. »Sagtest du nicht, das hätte etwas mit dem Familienunternehmen zu tun?«
    Er nickte mir zu. »Damals erzählte mir mein Onkel von seinem ›Programm‹. Ich hatte bis dahin nichts davon gewusst – nicht das leiseste Gerücht war zu mir gedrungen. Und auch niemand sonst in der Familie hatte eine Ahnung. Inzwischen verursachte das Projekt schließlich kaum noch Kosten, es war also nicht einmal mehr nötig, den Geldabfluss zu verschleiern.«
    »Und seitdem?«
    »Ich gelobte mir, den Fehler meines Onkels nicht zu wiederholen, und deshalb beschloss ich, so lange zu schlafen, bis die Maschinen eine Meldung schickten, und wieder weiterzuschlafen, falls sich die Meldung als falscher Alarm herausstellen sollte.«
    »Schlafen?«, fragte ich.
    Er schnippte mit den Fingern. Eine Wand der Höhle schob sich vollständig zurück, und ein steriler Raum voller Maschinen wurde sichtbar.
    Ich sah mir an, was er enthielt.
    Ein Kälteschlaftank, wie ihn Forqueray und seinesgleichen auf ihren Schiffen verwendeten, wurde umringt von vielen blanken grünen Kolossen – komplizierten Lebenserhaltungsgeräten. Mit einem solchen Tank konnte man die normale menschliche Lebensdauer von etwa vierhundert Jahren um viele Jahrhunderte verlängern. Allerdings war der Kälteschlaf nicht ohne Gefahren.
    »Ich habe einhundertfünfzig Jahre in diesem Ding gelegen«, sagte Childe. »Alle fünfzehn bis zwanzig Jahre wurde ich geweckt, jedes Mal, wenn eine Meldung von einem der Abgesandten einging. Das Aufwachen ist das Schlimmste. Man fühlt sich, als wäre man aus Glas und würde bei der nächsten Bewegung – beim nächsten Atemzug – in tausend Scherben zerspringen. Es geht vorüber, und eine Stunde später hat man es vergessen, aber beim nächsten Mal wird es dadurch nicht leichter.« Er erschauerte. »Manchmal kommt es mir eher so vor, als wäre es mit jeder Wiederholung schwerer zu ertragen.«
    »Dann sollten Sie Ihre Maschinen gründlich warten lassen«, bemerkte Forqueray verächtlich. Vermutlich bluffte er nur. Viele Ultras trugen einen Zopf für jede Durchquerung des interstellaren Raums, bei der sie all die zahllosen Missgeschicke überlebt hatten, die einem Schiff widerfahren mochten. Aber jeder Zopf war auch ein Symbol für die Auferstehung von den Toten am Ende einer Reise.
    Und dabei litten sie die gleichen Qualen wie Childe, auch wenn sie es nicht zugeben wollten.
    »Wie lange warst du jeweils wach?«, fragte ich.
    »Nicht mehr als dreizehn Stunden. Im Allgemeinen genügte das, um festzustellen, ob die Botschaft interessant war oder nicht. Ein paar Stunden gestand ich mir zu, um mich über die aktuellen Geschehnisse im weiteren Umkreis des Universums zu informieren. Aber ich musste mich beherrschen. Wäre ich länger wach geblieben, ich hätte der Aussicht, in die Stadt zurückzukehren, nicht mehr widerstehen können. Dieser Raum kam mir jedes Mal vor wie ein Gefängnis.«
    »Wieso?«, fragte ich. »Die subjektive Zeit verging doch sicher sehr schnell?«
    »Du hast offenbar nie länger im Kälteschlaf gelegen, Richard. Man ist nicht bei Bewusstsein, wenn man eingefroren ist, zugegeben – aber der Übergang in die Kälte und die Rückkehr scheinen ewig zu dauern, und man hat die
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