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Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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ihnen den Stinkefinger.
    »Was bist ’n so gereizt, Lady?«, keift der eine.
    Und der andere ruft: »Gestern gesoffen, oder was?«
    Die müssen hupen. Kennen doch selber jedes Glas der Stadt von innen. Sackgesichter. Mir ist immer noch arschkalt. Die Kälte ist wie ein altes Monster, das mich von innen auffrisst. Und es frisst beharrlich, sobald die Außentemperatur unter dreißig Grad fällt.
    Einmal, vor ein paar Jahren, da hab ich Ferien gemacht und bin ans andere Ende der Welt geflogen, da war ich vier Wochen auf Tahiti. Im Reisebüro haben sie gesagt, es hat dort immer mindestens achtundzwanzig Grad. Sie hatten nicht gelogen. Die Wochen auf Tahiti waren die schönste Zeit meines Lebens. Da war es warm, die Leute rauchten den ganzen Tag Gauloises und tranken Heineken und spielten auf ihren Gitarren, und sie redeten alle französisch, und ich hab nicht mal versucht, etwas zu verstehen. Ich war nur mit mir da. Ich war ganz allein und kein bisschen einsam. Ich werde immer erst einsam, wenn jemand da ist. In diesem Monat auf der Insel mochte ich mich, da hat nichts gestört, da hat nichts gezwickt, nicht mal eine Mücke hat mich gestochen. Ich hätte ewig so weitermachen können, aber dann fehlte mir doch der Mumm, und ich nahm meinen gebuchten Flug zurück in mein Leben.
    Manchmal fragen mich die Leute, woher das kommt, dass ich so schnell friere. Ich finde, dass das keinen was angeht.

    Carla muss schon eine Weile da sein, der Laden ist warm und aufgeräumt. Die Fensterfront glänzt wie frisch poliert, und die Mischung aus zierlichem weißen Stuck an der Decke, himmelblauen Wänden, wild zusammengewürfelten alten Stühlen, Tischen und Kronleuchtern wirkt wie immer so einladend, dass ich mich frage, wie irgendwer an Carlas Café vorbeigehen kann. Sie wirbelt mir entgegen, mein Gott, sie ist so lebendig. Wenn ich mich hin und wieder frage, was meine Mutter wohl für eine Frau ist, dann wünsche ich mir, sie möge so sein wie Carla. Aber eine Frau wie Carla würde niemals ihr Kind verlassen. Meine Mutter ist abgehauen, als ich zwei Jahre alt war, sie ist mit einem Kollegen meines Vaters durchgebrannt, einem ranghöheren Offizier. Jetzt lebt Ruth Hinzmann in Richmond, Wisconsin, sie schickt manchmal Postkarten, und sie ist in dritter Ehe mit einem Zahnarzt verheiratet. Mehr weiß ich nicht von ihr, und ehrlich gesagt, reicht das dicke. Inzwischen glaube ich auch, dass es gar nicht so schlecht war, ohne sie aufzuwachsen. Mein Dad und ich waren ein gutes Gespann. Er ist das, was fehlt. Er ist zu früh gegangen, nicht sie.
    »Liebes«, sagt Carla und küsst mich auf den Mund, »haben sie dich wieder aus dem Bett getreten? Ich mach mal schöne Musik an, ja?«
    Ich nicke. Schöne Musik heißt bei Carla traurige portugiesische Musik. Sie sagt oft, Traurigkeit sei doch im Prinzip das Gleiche wie Schönheit, beides würde weh tun, und dann lächelt sie immer, als wäre sie aus Karamell. Sie hantiert mit der einen Hand an ihrem CD-Spieler und mit der anderen an der Kaffeemaschine.
    »Du willst doch Kaffee, oder?«
    »Mhm«, sage ich. Carla hat wie immer kaum was an, ein dünnes schwarzes Kleidchen und eine Strickjacke, die ihr bei jeder Bewegung über die nackten Schultern fällt. Meine heißblütige Freundin friert nie. Sie läuft total hochtourig, sie reibt sich in einer Tour am Leben, sie weiß nicht mal, was Kälte ist. Es dampft und brodelt und klappert unter ihren Händen, und dann stellt sie mir eine Tasse ihres erstklassigen Kaffees hin.
    »Du«, sagt sie, »bevor ich’s vergesse, ich hab einen Spitzenmann für dich, der wird dir gefallen.«
    »Ach ja?«, sage ich.
    Carla versucht es tatsächlich immer wieder. Sie macht ständig irgendwelche fabelhaften Verabredungen mit irgendwelchen fabelhaften Typen für mich klar. Zu den Verabredungen erscheine ich dann entweder gar nicht erst, oder ich betrinke mich haltlos und benehme mich so daneben, dass sie sich vor den Flachpfeifen auch noch für mich schämen muss. Aber das perlt an ihr ab. Es scheint sie überhaupt nicht zu stören, und so macht sie immer weiter mit ihrer Kuppelei.
    »Ja, er ist GROSS-AR-TIG!«, sagt sie. »Weißt du, der ist so ein Anzugträger, aber einer von der guten Sorte. Schöne graue Schläfen, macht irgendwas mit Theater. Und er ist … tataa: Single!«
    »Wenn einer in dem Alter noch allein lebt, ist was faul«, sage ich.
    »Du lebst auch allein«, sagt sie.
    »Genau«, sage ich, »und bei mir ist jede Menge faul.«
    »Er ist verwitwet«, sagt
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