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Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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sage ich, »ich muss los. Und lassen Sie den Faller in Ruhe, wenn er hier auftaucht.«
    Dann sehe ich zu, dass ich Land gewinne. Bloß nicht am Tatort umkippen.

    Das Kopfsteinpflaster unter meinen Stiefeln ist feucht und unberechenbar. Mal lieber schön langsam gehen. Ich frage mich, warum ich mir das eigentlich immer antue, diese Tatorte. Vielleicht weil ich lieber draußen als drinnen bin, weil ich noch nicht alt genug bin, um nur schlaue Anweisungen zu geben, und vielleicht auch, weil ich mein Büro in der Staatsanwaltschaft nicht wirklich mag. An guten Tagen kommt es mir vor wie ein Rahmen, an schlechten Tagen wie ein Gefängnis. Vielleicht liegt’s auch nur an der Einrichtung. Ich sollte mich da mal drum kümmern. Na ja. Bis sich was geändert hat, gehe ich eben weiter raus. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass man das Verbrechen sehen muss, wenn man es bekämpfen will. Man muss wissen, wie das Böse aussieht, damit man es erkennt, wenn es einem über den Weg läuft.
    Mein Telefon klingelt. Der Faller ist dran.
    »Guten Morgen, alter Mann«, sage ich.
    »Scheiß Morgen«, sagt er. »Wo sind Sie, Chas?«
    »Auf dem Weg zu Carla.«
    »Kaffee, hm?«
    »Sie wissen, was eine Frau braucht, Faller«, sage ich. »Sind Sie am Tatort?«
    »Ja«, sagt er, »gerade angekommen, gemeinsam mit der versammelten Lokalpresse. Die stellen hier alles auf den Kopf.«
    »Verdammt«, sage ich, »die sollen sich bloß zurückhalten.«
    »Hab ich im Griff«, sagt er. »Was halten Sie von der Perücke?«
    »Was halten Sie vom Skalpieren?«, frage ich.
    »Ekelhaft.«
    »Glauben Sie, dass sie eine Professionelle war?«
    »Keine Ahnung«, sagt er. »Die sind doch auch nicht mehr das, was sie mal waren.«
    »Trommeln Sie eine schlagkräftige Truppe zusammen, ja?«
    »Mach ich«, sagt er. »SoKo Skalpmörder läuft in diesem Augenblick an. Bis morgen Nachmittag sollten wir dann erste Ergebnisse von der Spurensicherung und aus der Pathologie haben. Ich würde sagen, wir setzen für vierzehn Uhr ein Treffen an.«
    »Bingo«, sage ich. »Und ich werde heute Abend schon mal mit ein paar von den Mädchen am Hans-Albers-Platz reden«, sage ich.
    »Danke«, sagt der Faller. »Ich bin zu alt für so was.«
    »Schon gut«, sage ich.
    Seit einer hässlichen Sache vor ein paar Jahren ist Kollege Faller nicht mehr so gerne auf dem Kiez unterwegs. Ich nehme ihm das nicht übel. Jeder trägt so seinen Scheiß mit sich rum. Ist halt mal blöd gelaufen, war ein Fehler, machen wir das Beste draus.
    »Ich kann auch den Calabretta zu den Mädchen schicken«, sagt der Faller.
    Der Calabretta ist Halbitaliener und Fallers Liebling aus der Mordkommission, ich glaube, der Faller will, dass der Calabretta mal sein Nachfolger wird. Ich hätte nichts dagegen, der Calabretta ist ein guter Polizist und ein feiner Typ. Aber mit den Damen vom Strich rede ich auch mal selbst. Ich höre mich immer ganz gern im Rotlicht um, ich mag die Kiezleute. Ehrliche Nachbarschaft.
    »Nö«, sage ich, »ist schon in Ordnung, ich mach das. Wir sehen uns später in der Pathologie, okay?«
    »Okay, Chef.«
    »Ach, Faller?«
    »Ja?«
    »Kümmern Sie sich um die beiden Filipinos?«
    »Naturalmente.«
    Wie ich schon sagte: Der Faller hat eine merkwürdige Vorliebe fürs Italienische. Manchmal ist das echt zum Verrücktwerden.
    »Chastity?«
    »Ja?«
    »Tun Sie mir einen Gefallen«, sagt er. »Nehmen Sie mal eine doppelte Ladung Aspirin. Sie klingen schrecklich.«
    Der Faller hat auch eine merkwürdige Vorliebe für mich und macht sich andauernd Sorgen, es könnte mir schlecht gehen. Meistens hat er recht. Ich nicke, aber das kann er natürlich nicht hören. Er legt auf, und ich bin allein mit meinem Kloß im Hals. Es macht mich fertig, wenn sich jemand um mich sorgt.
    Der Hafen tut irre geschäftig. Alle Lichter an, überall Geklöter und Geklacker, Kräne hier, Gabelstapler da, große Aufregung. Ich mag es wirklich lieber, wenn die Orte schlafen, und gerade der Hafen ist mir still und bei Nacht irgendwie näher. Wenn der Tag die Lichter nicht mehr verschluckt. Immerhin bricht die Sonne für einen Augenblick durch die Wolken, setzt einen Akzent und blinzelt sympathisch auf die Container runter. Aber dann zieht der Himmel auch direkt wieder zu, die Industrie liegt wieder in grau und ackert vor sich hin. Backbord machen sich zwei vierschrötige Typen an irgendwelchen Kisten auf einer Barkasse zu schaffen. Sie pfeifen mir hinterher, ich habe geahnt, dass sie das tun würden, und zeige
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