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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Anderenfalls würde Grönland untergehen. Sie schmarotzen. Bezahlt wird das alles mit unseren Steuergeldern. Und davon kommt nichts zurück. Man kann die Grönländer nicht integrieren. Sie wollen nicht. Sie wollen nur Grönländer sein.«
    »Aber du fährst doch nächsten Sommer wieder hin?«
    »Ja«, antwortet Kurt. »Ja. Ich muss wieder hin. Man verdient verdammt viel Geld dort. Ja.«
    Sie begreifen es einfach nicht. Grönland ist eine Jäger-Gesellschaft. Das Klima ist knochenhart. Es ist schwer, sich im Land zu bewegen, und es ist unglaublich schwierig, dort zu leben. Ja, es ist primitiv – natürlich. All diese rotznäsigen, dummen Dänen stehen am Ende einer tausendfünfhundertjährigen Entwicklung, die Grönland nicht hatte. Gäbe es bei uns eine ähnliche Entwicklung, hätten wir die Kolonialisten bestimmt nicht ins Land gelassen.
    Allmählich fange ich selbst an, zwischen denen zu unterscheiden, die mich als Grönländerin aushalten, und denen, die es nicht können – den Dänen. Ausländer haben diese verquasten Ansichten über Grönland nicht, für sie bin ich lediglich eine andere Fremde.
    Auf der Strøget lerne ich einen Burschen kennen, der Gene heißt – er spielt in einer Countryband –, und freunde mich mit seiner Freundin Dorthe an; meine erste dänische Freundin in Kopenhagen. Dorthe ist neunundzwanzig und Näherin – sie ist zehn Jahre älter als ich, und ich finde sie sehr alt. Für sie bin ich nur so ein kleines unschuldiges Ding – eigentlich bin ich gar nicht so unschuldig –, die sie ein bisschen zu oft in der Fredericiagade besucht. Aber sie ist sehr nett zu mir und bringt mir Stricken, Nähen und Häkeln bei. Ich bin mit einem Straßenmusiker liiert, nur wenn er unterwegs ist, schlafe ich mit einem anderen.
    Alle bringen sich gegenseitig Songs bei. Immer gibt es ein paar Gitarren, wenn die Leute sich treffen. Schon bald stehe ich auf der Strøget und sammle Geld in einem Hut, und kurz darauf spiele ich auch selbst.
    Das Straßenbild ist ziemlich eintönig. Es gibt ein paar türkische Gastarbeiter, die in der Stadt aber kaum zu sehen sind. Neger findet man in Kopenhagen gar nicht, es sei denn, man geht in ein Jazzkonzert.
    »Das ist schlimm«, sagt Dorthe. Sie liest Bücher über den dänischen Sklavenhandel zwischen den dänischen Besitztümern in Guinea und Dänisch Westindien in den Jahren 1673 bis 1803 – Tausende Neger wurden damals als Sklavenarbeiter auf die Zuckerrohrplantagen gebracht. 1917 hat Dänemark diese Inseln an die USA verkauft.
    »Die Inseln sind voller Schwarzer«, sagt Dorthe. »Überleg mal, wenn wir sie behalten hätten. Dann gäbe es dort eine Menge schwarzer Dänen. Das wäre schön!« Sie möchte wahnsinnig gern mal mit einem Neger schlafen.
    Wir hören unglaublich viel Musik. Wir spielen auf der Strøget, und ich stehe auf der Bühne, wenn Genes Countryband auftritt. Die ganze Woche ist ein einziges Fest. Aber ich muss auch noch ins Ministerium – oft genug direkt aus der Kneipe. Ich habe kein Badezimmer und komme auch nicht so oft in eine Badeanstalt; meist bleibt es also bei einer Katzenwäsche über einem Eimer in meinem zugigen Zimmer. Tja, puuhhh, es ist sicher ganz besonders schön, beim Sortieren der Post im Grönlandministerium neben mir zu stehen.
    Fakir
    Bei Gene und Dorthe trifft sich eine ganze Clique. Zum Teil sind es Mitglieder seiner Countryband und deren Freundinnen, aber auch andere Musiker und Freunde. Wir sind ungefähr zehn, fünfzehn Leute, die sich so gut wie jedes Wochenende, aber auch unter der Woche treffen. Eines Abends sind wir wie üblich eine große Runde, die zusammen isst – hinterher rauchen und trinken wir und lassen es uns gutgehen. Wir reden Englisch miteinander, das verstehen alle. Häufig kommen auch Leute, die kein fester Bestandteil der Clique sind, Gäste oder Besucher von außerhalb. Und an diesem Abend sitzt dort ein Bursche, der vollkommen anders aussieht. Wir sind ja alle Hippies, die Männer mit langen Haaren und ziemlich flippig. Nur ein bisschen hat sich geändert, es gibt nicht mehr so viel Flowerpower, die Leute laufen jetzt eher in Jeans und Denim-Jacken herum. Aber dieser Kerl trägt eine Gabardinehose und ein tailliertes Hemd mit großem Kragen, außerdem lange Koteletten und einen Schnauzer, igitt. Eine richtige Pornotype, Goldkettchen mit einer Löwenklaue um den Hals und Goldringe an den Fingern. Eine ganz andere Sorte Mann. Was zum Teufel macht er hier? Allerdings ist er ziemlich stattlich, ein
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