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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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Lissabon war vielmehr die Möglichkeit geschaffen worden, mittels einer Mehrheit alles durchzusetzen, Vertragsbruch inklusive. Man hat die Gemeinschaft erweitert, aber mit dem Ergebnis, dass deren Existenzbedingungen nach Kassenlage abgeändert wurden und der Eid, den man sozusagen bei der Aufnahme in die EU geschworen hatte, zum leeren Ritual verkam.
    Eine Vertiefung hat in Wahrheit niemals stattgefunden, und wenn der Eindruck erweckt wurde, dann geschah es just for show : Man glich sich einander an, aber nur kosmetisch, und man unterschrieb Verträge, aber mit Zaubertinte. Als gutes
Beispiel für den verbreiteten Unwillen der gegenseitigen Angleichung lässt sich das Modell der deutschen betrieblichen Mitbestimmung heranziehen. Auf das paritätische Verhältnis zwischen Arbeitgebern und -nehmern, das nur sie eingeführt haben, sind die Deutschen stolz. Sie werden es auch in Zukunft sein können, denn die restlichen Europäer haben trotz EU und Lissabon gar nicht daran gedacht, die Mitbestimmung nach deutschem Recht zu übernehmen. Sie haben erkannt, dass es für ihre Wirtschaft besser ist, wenn man der Mitbestimmung der Arbeitnehmer enge Grenzen setzt, und damit der von Deutschland erhofften Vertiefung der EU eine klare Absage erteilt.
    Bemerkenswert scheint mir die deutsche Reaktion: Obwohl unsere Politiker felsenfest von der Überlegenheit und demokratischen Legitimation des paritätischen Modells überzeugt sind, haben sie es einfach hingenommen, dass niemand in Europa es haben will. Wie oft hören wir im Gegenzug, dass andere Länder ihre speziellen Modelle europaweit durchsetzen, und kein deutscher Politiker käme auf die Idee, der jeweiligen Neuerung die Gefolgschaft zu verweigern - im Gegenteil, im Bundestag lässt sich dann etwas besonders leicht durchsetzen, wenn es in anderen europäischen Ländern bereits praktiziert wird.
    Wir halten selbst dann still, wenn man uns »Reformen« oktroyiert, auf die eine Mehrheit der Deutschen gern verzichten würde. Nehmen wir die Glühlampenverordnung, die von Brüssel aus Klimaschutzgründen durchgesetzt wurde. Man spart Strom und senkt angeblich den Kohlendioxidausstoß um Millionen Tonnen pro Jahr, und deshalb sind die alten Birnen mit dem angenehm warmen Licht nun verboten. Man hätte noch viel mehr verbieten können, aber man will nicht alles auf einmal durchziehen - die Vertiefung der Energiesparmaßnahmen
erfolgt etappenweise, gleichsam im Schongang. Aber sie kommt, und man kann sicher sein, dass die Deutschen alles abnicken und auch dafür bezahlen werden.
    Kürzlich ist mir eine streng legale Energiesparlampe, die ich in meine Wohnzimmerbeleuchtung drehen wollte, zu Boden gefallen und zerbrochen. Vielleicht war mein Unterbewusstes schuld daran, dass ich sie fallen ließ. Ich mag nämlich ihr kaltes, schneeweißes Licht nicht, es verbreitet statt wohnlicher Wärme die nüchterne Helle eines Büros. Wie gewohnt, habe ich Schaufel und Besen geholt, um die Splitter auf ein Blatt Zeitungspapier zu fegen und in den Abfalleimer zu werfen. Im letzten Augenblick kam mir der Gedanke, dass dieses Zeug vermutlich hochgiftig war und keinesfalls in den Hausmüll gehörte. Nur fragte sich, wohin damit?
    Ich eilte zum PC und suchte nach einer Lösung für mein Sondermüllproblem, vergebens. Immerhin erfuhr ich, dass für die Leuchtenkomponenten eine geregelte Leuchtenentsorgung nötig ist, für die wiederum Logistikprozesse eingerichtet wurden - man wende sich vertrauensvoll, so las ich, an die Wertstoffhöfe. Und wo bitte ist in Berlin-Mitte der nächste an einen Leuchtenkomponentenentsorgungslogistikprozess angeschlossene Wertstoffhof? Und wieviele S-Bahn-Stationen weit muss ich die Überreste meiner Energiesparleuchte, möglichst luftdicht verpackt, durch die Hauptstadt begleiten?
    Zu verdanken haben wir diesen Wahnsinn niemand anderem als dem neuen starken Mann der SPD, Sigmar Gabriel. Als er unter Angela Merkel Umweltminister war und sich überlegte, womit er sich profilieren könnte, las er irgendwo, dass die australische Regierung das Verbot der klassischen Glühbirnen eingeführt hatte, vermutlich um das Abschmelzen des Südpols aufzuhalten. Sogleich schrieb Gabriel einen vielbeachteten Brief an die Europäische Kommission, dass wir das auch machen
sollten. Das Ergebnis haben wir nun, und von Bilbao bis Santorin, von Messina bis Berlin-Mitte strahlt nur noch kaltes Licht, und wenn es Scherben gibt, kann man sehen, wohin damit. Die Mitbestimmung in Aufsichtsräten
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