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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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leichter realisieren als mit dem hoch entwickelten Industriestaat Deutschland? Überhaupt, welche ideologische Verblendung Brüssels, die Gleichheit erzwingen zu wollen, wo sie sich von selbst niemals ergeben wird!
    Auch die Gefahr der Transferunion wäre damit weitestgehend gebannt. Ein Nord-Geleitzug könnte ohne die vielen mitgeschleppten Beiboote schnell an Fahrt aufnehmen, wie auch das südliche Pendant eine Währungspolitik fände, die der Mentalität und den Gesellschaftssystemen ihrer Mitglieder mehr entspräche. Wenn nötig, könnten sie, um wettbewerbsfähig zu bleiben, den Süd-Euro jederzeit abwerten. Durch heute nicht mögliche competitive devaluations würden sich ihre Handelschancen auf den globalen Märkten wieder erhöhen. Denn,
wie gesagt, für die weniger produktiven Länder bildet der hohe Euro-Kurs ein oft unüberwindliches Handelshindernis - eine abgewertete Währung aber böte ihnen steigende Exportchancen. Mit zwei Währungen würden gerade die Wachstumserwartungen der südlichen Länder erhöht.
    Um mit aller Gewalt im Euro-Verbund bleiben zu können, unterzieht sich Griechenland heute einer Rosskur, die das Wachstum im Lande abgewürgt und damit zu steigender Arbeitslosigkeit und sozialen Unruhen geführt hat. Wie soll, bei einer solchen Wachstumspolitik, der griechische Staat sich jemals wieder in die Lage versetzt sehen, seine weiterhin steigenden Schulden zurückzahlen zu können? Eine Staatsinsolvenz, verbunden mit einem haircut , einem Beitrag der Gläubiger Griechenlands, ist nach meiner Überzeugung sowieso nicht zu umgehen. Die dann erfolgende Einführung einer weicheren Währung liegt auch im Interesse der südlichen Länder Europas. Sie können einem Wirtschaftsmodell folgen, welches ihnen eine faire Chance für Wachstum, Exporte und damit neue Arbeitsplätze gibt.
    Womit wir beim entscheidenden Argument angekommen wären, das für die beiden Euros spricht: Europa befindet sich im Wettbewerb mit aufstrebenden Schwellenländern, die, wie China oder Indien, in Wahrheit die »Schwelle« zur Wirtschaftsgroßmacht längst überschritten haben, auch wenn sie dies, wegen ihrer künstlich schwachen Währung, nicht so gern zugeben. Im Vergleich zu diesen großen Gernekleins erscheint die EU immer mehr wie ein kleiner Gernegroß, der sich über den Verlust internationaler Marktanteile hinwegtäuscht, indem er auf den florierenden Binnenmarkt verweist. Aber auch der leidet unter dem einen Euro, und er wird noch mehr leiden, wenn die Geldmassen des Rettungsschirms abgerufen werden und das große Zittern um die Euro-Stabilität beginnt.

    Mit der viel beschworenen europäischen Einheit, die als Hauptargument gegen eine Euro-Spaltung angeführt wird, ist es in Wahrheit auch nicht so weit her. Es gibt ja in der Gemeinschaft nicht nur ein Nord-Süd-Gefälle, das - zugespitzt formuliert - darin besteht, dass jene im Süden gern bekommen möchten, was die im Norden haben. Es besteht auch ein West-Ost-Gefälle, bei dem jene im Osten gerade nicht bekommen wollen, was jene im Westen über den grünen Klee loben: die europäische Einheit à tout prix . In Westeuropa, also den alten EU-Staaten, nördlichen wie südlichen, herrscht vor allem der Wille zur Integration und Zentralisation, der leichtfertig Solidarität über Souveränität stellt.
    Der Osten Europas denkt anders. Ob Polen oder Tschechien, die Slowakei oder Ungarn, Rumänien oder Bulgarien - sie alle hatten seit 1945 unter einer Staatengemeinschaft gelitten, die sie zu Knechten der sowjetischen Zentralmacht degradierte. »Unser Brüssel war Moskau«, sagen sie. Und deshalb wollen sie die kostbare Unabhängigkeit, die sie durch Gorbatschow bekommen haben, nicht schon wieder aufs Spiel setzen. Endlich dürfen sie ihres »eigenen Glückes Schmied« sein. Wer kann es ihnen verdenken, dass sie nicht schon wieder wegen jeder Kleinigkeit vor eine fremde Schmiede laufen wollen?
    Kaum einer hat diese Unterschiede bisher bemerken wollen, obwohl sie bereits unübersehbar geworden sind. Zwei Gefälle haben sich in Europa herausgebildet: Das eine zeigt sich in der wirtschaftlichen Aufteilung Europas in einen Nord- und einen Südteil, wobei mir selbst nicht klar ist, welchem das geografisch nördlich gelegene Irland zuzurechnen wäre; das andere besteht in einer gefühlsmäßigen Aufteilung Europas in eine politisch integrierte Union, die der Westen präferiert, und eine wirtschaftlich-militärische Union, welcher der Osten den Vorzug gibt, weil dabei die
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