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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Lauren Oliver
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aus wie Wasser, flimmert vor Hitze, als wäre die Welt eine Fata Morgana.
    Es würde schneller gehen, wenn ich Grace absetzen und sie neben mir herrennen würde, aber jetzt, wo ich sie wiederhabe – jetzt, wo sie hier ist, sich an mich klammert, ihr Herz heftig in ihrer Brust hämmert, im Rhythmus mit meinem klopft –, will ich sie nicht loslassen.
    Das Rad ist zum Glück noch da, wo ich es zurückgelassen habe. Grace klettert unbeholfen auf den Sattel und ich zwänge mich hinter sie. Ich stoße mich ab, die Straße hinunter, meine Beine sind schwer wie Stein, bis der Schwung uns trägt; und dann fahre ich, so schnell ich kann, weg von den Fingern aus Rauch und Flammen, die nach uns greifen, und lasse die Highlands hinter uns brennen.

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    I
ch laufe, ohne darauf zu achten, wo ich bin oder wohin ich gehe. Einen Fuß setze ich vor den anderen, meine weißen Schuhe klappern leise auf dem Asphalt. In der Ferne kann ich das Tosen rufender Stimmen hören. Die Sonne scheint hell und fühlt sich gut auf meinen Schultern an. Eine sanfte Brise bewegt lautlos die Bäume und sie verbeugen sich und winken, verbeugen sich und winken, als ich vorbeigehe.
    Einen Fuß vor den anderen. Es ist so einfach. Die Sonne scheint so hell.
    Was wird aus mir?
    Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich jemandem begegnen, der mich erkennt. Vielleicht werde ich zu meinen Eltern zurückgebracht. Vielleicht, falls die Welt nicht untergeht, falls Fred jetzt tot ist, werde ich einem anderen zugeteilt.
    Oder vielleicht gehe ich immer weiter, bis ich das Ende der Welt erreiche.
    Vielleicht. Aber jetzt sind da nur die weiße Sonne hoch oben und der Himmel, die Fäden aus grauem Rauch und Stimmen, die wie Meereswellen in der Ferne klingen. Da ist das Klappern meiner Absätze und da sind die Bäume, die zu nicken scheinen und sagen: Es ist alles in Ordnung. Alles wird gut.
    Vielleicht haben sie sogar Recht.

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    A
ls wir uns Back Cove nähern, schwellen die kleinen Grüppchen aus Leuten zu einem tosenden, rauschenden Strom an, und ich komme kaum mit dem Fahrrad zwischen ihnen durch. Sie rennen, schreien, schwingen Hämmer, Messer und Metallrohre, drängen hin zu einem mir unbekannten Ort, und es überrascht mich zu sehen, dass es nicht mehr nur Invaliden sind, die hier rebellieren. Ich sehe auch Jugendliche, manche erst zwölf oder dreizehn, ungeheilt und wütend. Ich entdecke sogar ein paar Geheilte, die aus ihren Fenstern zusehen und gelegentlich als Zeichen der Solidarität winken.
    Ich löse mich aus der Menge und fahre mit dem Fahrrad durch den aufgewühlten Matsch am Ufer der Bucht, wo Alex und ich uns vor einem ganzen Leben gegen die Ordnung aufgelehnt haben – wo er zum ersten Mal sein Glück für meins gegeben hat. Zwischen den Trümmern der alten Straße wächst hohes Gras, und Leute – Verletzte und Tote – liegen dort, stöhnen oder schauen blicklos in den wolkenlosen Himmel. Ich sehe mehrere Leichen bäuchlings im seichten Wasser der Bucht treiben und rote Ranken breiten sich an der Oberfläche aus.
    An der Mauer stehen die Menschen immer noch dicht beieinander, aber es scheinen hauptsächlich unsere Leute zu sein. Die Aufseher und die Polizei sind offenbar zurückgedrängt worden, in Richtung Old Port. Jetzt strömen Tausende Aufständische in diese Richtung, ihre Stimmen vereint zu einem einzigen wütenden Summen.
    Ich lasse das Fahrrad im Schatten eines großen Wacholderstrauchs fallen und fasse Grace endlich an den Schultern, untersuche sie überall auf Schnitte oder Verletzungen hin. Sie zittert mit weit aufgerissenen Augen und starrt mich an, als glaubte sie, ich würde jeden Moment verschwinden.
    »Wo sind die anderen?«, frage ich. Ihre Fingernägel sind verdreckt und sie ist furchtbar dünn. Aber abgesehen davon sieht sie ganz okay aus. Mehr als okay – sie sieht schön aus. Ich spüre, wie mir ein Schluchzen in die Kehle steigt, und schlucke es herunter. Wir sind nicht in Sicherheit, noch nicht.
    Grace schüttelt den Kopf. »Ich weiß es nicht. Da war das Feuer und … und ich habe mich versteckt.«
    Sie haben sie also wirklich zurückgelassen. Oder sie waren nicht besorgt genug, um nach ihr zu suchen, als sie verschwand. Mir wird schlecht.
    »Du siehst anders aus«, sagt Grace leise.
    »Du bist größer geworden«, sage ich. Plötzlich könnte ich vor Freude laut schreien. Ich könnte vor Glück jubeln, während die ganze Welt in Flammen aufgeht.
    »Wo warst du?«, fragt mich Grace. »Was ist mit dir
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