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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Lauren Oliver
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nur eingebildet.
    Das Obergeschoss ist völlig verraucht. Ich komme nur halb die Treppe hinauf, dann bin ich gezwungen, würgend und hustend wieder nach unten zu gehen. Inzwischen lodert das Feuer auch in den vorderen Zimmern. Vor die Fenster sind billige Duschvorhänge getackert. Sie gehen rasend schnell in Flammen auf und der Gestank nach verschmortem Plastik breitet sich aus.
    Ich gehe zurück in die Küche, und fühle mich, als hätte ein Riese seine Faust um meine Brust geballt. Ich muss hier raus, brauche dringend frische Luft. Ich ramme meine Schulter gegen die von der Hitze verzogene Hintertür und stolpere schließlich hustend und mit tränenden Augen in den Garten hinaus. Ich denke nicht mehr nach; meine Füße tragen mich automatisch vom Feuer weg, hin zu sauberer Luft, fort von hier, als mein Fuß von Schmerz durchzuckt wird und ich hinfalle. Ich drehe mich um, um zu sehen, worüber ich gestolpert bin: ein Griff zu einer Kellerluke, halb verborgen im hohen Gras.
    Ich weiß nicht, was mich dazu bringt, die Hand danach auszustrecken und die Klappe aufzuziehen – Instinkt vielleicht oder Eingebung. Eine steile Holztreppe führt in einen kleinen, grob in die Erde gehauenen Keller hinunter. Der winzige Raum ist von Regalen gesäumt und mit Lebensmitteldosen gefüllt. Mehrere Glasflaschen – Limonade, vielleicht – stehen auf dem Boden aufgereiht.
    Sie ist so weit hinten in eine Ecke gedrückt, dass ich sie beinahe übersehe. Zum Glück bewegt sie sich, bevor ich die Tür wieder schließen kann, und einer ihrer Turnschuhe kommt zum Vorschein. Er wird von dem rauchigen roten Licht angestrahlt, das von oben in den Keller strömt. Die Schuhe sind neu, aber ich erkenne die lilafarbenen Schnürsenkel, die sie selbst angemalt hat.
    »Grace.« Meine Stimme ist heiser. Ich trete vorsichtig auf die oberste Stufe. Als sich meine Augen an das dämmrige Licht gewöhnt haben, erkenne ich Grace deutlicher – sie ist größer als vor acht Monaten, aber auch dünner und dreckiger –, wie sie in der Ecke kauert und mich mit weit aufgerissenen, ängstlichen Augen anstarrt. »Grace, ich bin’s.«
    Ich strecke die Hand nach ihr aus, aber sie rührt sich nicht. Ich trete vorsichtig noch einen Schritt nach vorn, will nicht wirklich in den Keller hinunter, um sie zu holen. Sie war immer schnell; ich habe Angst, dass sie mir entwischt und wegrennt. Mein Herz hämmert schmerzhaft und ich habe Rauchgeschmack im Mund. Im Keller riecht irgendetwas durchdringend und stechend, das ich nicht einordnen kann. Ich konzentriere mich auf Grace, will sie dazu bringen, zu mir zu kommen.
    »Ich bin’s, Grace«, versuche ich es erneut. Ich kann mir nur vorstellen, wie ich auf sie wirken muss, wie sehr ich mich verändert habe. »Lena. Deine Großcousine Lena.«
    Sie versteift sich, als hätte ich die Hand nach ihr ausgestreckt und ihr einen Schlag versetzt. »Lena?«, flüstert sie eingeschüchtert. Aber sie rührt sich immer noch nicht vom Fleck. Über uns ertönt ein donnerndes Krachen. Ein Ast oder ein Stück Dach. Ich habe plötzlich Panik, dass wir hier unten begraben werden könnten, wenn wir jetzt nicht rausgehen. Das Haus wird einstürzen und wir werden eingeschlossen sein.
    »Komm, Gracie«, rufe ich sie bei ihrem alten Spitznamen. Mein Nacken ist schweißnass. »Wir müssen gehen, okay?«
    Schließlich rührt Grace sich. Sie streckt unbeholfen einen Fuß aus und ich höre das Klirren von zerbrechendem Glas. Der Geruch verstärkt sich, brennt in meiner Nase, und plötzlich weiß ich, was es ist.
    Benzin.
    »Das wollte ich nicht«, sagt Grace mit hoher Stimme, schrill vor Panik. Sie hockt sich wieder hin und ich sehe, wie sich um sie herum ein dunkler Fleck Flüssigkeit auf dem Boden aus festgetrampelter Erde ausbreitet.
    Die Panik ist jetzt überwältigend, sie dringt von allen Seiten auf mich ein: »Grace, komm schon, Liebes.« Ich versuche, die Angst aus meiner Stimme zu halten. »Nimm meine Hand.«
    »Das wollte ich nicht!« Sie fängt an zu weinen.
    Ich husche die letzten paar Stufen hinunter und packe sie, hebe sie auf meine Hüfte. Das klappt nicht so richtig, sie ist zu groß, um sie bequem tragen zu können, aber überraschend leicht. Sie schlingt die Beine um meine Taille. Ich kann ihre Rippen und die ausgeprägten Spitzen ihrer Hüftknochen spüren. Ihre Haare riechen nach Fett und Öl und – entfernt, ganz entfernt – nach Spülmittel.
    Die Treppe hinauf und hinein in das Meer aus Flammen und Feuer, die Luft sieht
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