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Renner & Kersting 02 - Mordswut

Renner & Kersting 02 - Mordswut

Titel: Renner & Kersting 02 - Mordswut
Autoren: Angelika Schroeder
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Ich geh zum Schulrat. Ach was, zum Minister geh ich. Es is einfach nich zu fassen, was an dieser Schule los is!“
    Während der Besucher gar nicht aufhören wollte zu pöbeln, blickte Helga verstohlen auf ihre Uhr. Die Pause war bereits zur Hälfte vorbei. Ihr erschien das Gespräch mit dem Rektor im Moment wichtiger. Vor allem, da sie tatsächlich keine Ahnung hatte, wovon der Mann überhaupt redete und er offensichtlich unfähig war, es in verständlichen Worten zu erklären.
    „Wissen Sie was“, sagte sie deshalb leise und akzentuiert, als er wieder einmal Luft holen musste, „kommen Sie entweder heute nach der sechsten Stunde oder morgen früh vor dem Unterricht. Dann habe ich Zeit und wir können uns in Ruhe über den Fall unterhalten. Jetzt müssen Sie mich entschuldigen.“ Sie ließ ihn einfach stehen und eilte ins Lehrerzimmer.
    Dort war die Diskussion in vollem Gange. Alle saßen mit mehr oder weniger gereizten Mienen um den großen Tisch, und Elli Goppel warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
    „Meine Damen, Herr Kollege, Sie alle wissen, wie sehr der Ruf unserer Schule gelitten hat.« Die hagere Gestalt des Rektors schien noch länger zu werden, als er sich straffte und über die Köpfe seines Kollegiums hinweg in eine unerfreuliche Vergangenheit zu blicken schien, im rechten Auge ein nervöses Zwinkern. Jeder wusste, worauf er anspielte. Seit eineinhalb Jahren waren bestimmte Begriffe in diesem Raum tabu. Damals hatte eine furchtbare Serie von Morden an Kindern die Bewohner der Stadt erschüttert. Die Täterin, ausgerechnet eine Lehrerin dieser Schule, war in die Psychiatrie eingewiesen worden, wofür nur diejenigen Verständnis aufbrachten, die sie gekannt hatten. Weder die Eltern der Opfer noch der überwiegende Teil der Bevölkerung vermochte dieses Urteil nachzuvollziehen. Wochenlang hatte der Fall die Schlagzeilen beherrscht und die Gemüter erhitzt. Dass der Rektor regelrecht Panik empfand vor negativer Presse, konnte jeder verstehen. Der Ruf seiner Schule ging ihm über alles. „Was sollen denn die Eltern denken? Es ist unmöglich! Das Bild der Lehrer ist in der Öffentlichkeit sowieso angekratzt, und da wollen Sie während der Schulzeit zu einer Hochzeit gehen? So wichtig ist eine Heirat nun auch wieder nicht.« Bekräftigend schüttelte er den Kopf, dessen Haare schon lange den Rückzug angetreten hatten. Der blanke Schädel glänzte wie poliert im gleißenden Licht der Leuchtstoffröhren.
    „Gut, dass Shakespeare unseren Rektor nicht kannte«, flüsterte Linda Kolczewski ihrer Nachbarin vernehmlich ins Ohr, „dann hätte Dromios Ausspruch anders geendet.«
    Frau Meierfeld grinste und gab durch nichts zu erkennen, dass sie keine Ahnung hatte, worauf die Kollegin anspielte. Sie kannte deren Ambitionen, möglichst schnell befördert zu werden, zur Genüge und amüsierte sich immer wieder über deren Bestreben, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ihren Intellekt zu beweisen.
    „Aber Herr Raesfeld, es handelt sich doch bloß um die sechste Stunde am kommenden Freitag. Die meisten Kolleginnen haben dann schon frei, und die anderen werden das Versäumte nachholen.« Elli blickte ihren Chef beschwörend an.
    „Und denken Sie doch auch einmal an die positive Berichterstattung in der Zeitung, wenn wir alle mit Zeigestock und großem Lineal vor der Kirche stehen.« Raesfeld zuckte sichtbar zusammen. „Zeitung« gehörte zu jenen Wörtern, die hier nicht mehr ausgesprochen wurden. Doch Frau Schnoor, rund und behäbig, in einer Hand ein Brot, in der anderen die Kaffeetasse, war schon so lange an dieser Schule, dass sie sich dieses Sakrileg erlaubte.
    „Zeitung? Wieso das?« Täuschte Helga sich oder zitterte Raesfelds Stimme tatsächlich? Anscheinend hatte der Skandal ihn tiefer getroffen als sie alle geglaubt hatten.
    „Na, Dr. Kowenius, der Bräutigam, ist kein Unbekannter in dieser Stadt, und unsere Anzeigenblättchen freuen sich über jeden Vorfall, der berichtenswert ist. Wenn wir aus der Trauung ein Ereignis machen, wird bestimmt jemand kommen und fotografieren und berichten.«
    „Um Himmels Willen, nur das nicht. Keine Zeitung! Die wärmen die alte Geschichte wieder auf. Nein, kommt nicht in Frage!«
    O je, dachte Helga, da hatte Frau Schnoor, die sich so viel auf ihre Menschenkenntnis einbildete, tatsächlich voll ins Fettnäpfchen getreten. Sie beeilte sich, die Sache so gut es ging zu bereinigen.
    „Wir brauchen die Zeitung nicht. Die Trauung findet in der
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