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Renner & Kersting 02 - Mordswut

Renner & Kersting 02 - Mordswut

Titel: Renner & Kersting 02 - Mordswut
Autoren: Angelika Schroeder
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die beruhigende Gerbsäure noch nicht. Er kannte Helga gut genug, um die Anzeichen zu deuten. Sie wollte keinen ruhigen Nachmittag genießen, sondern reden. Und so wie sie in seinen Armen gelegen hatte, vermutlich nicht über ihre Beziehung, was ihn freute. Es fiel ihm schwer, Gefühle zu äußern, und es hatte unglaubliche Überwindung gekostet, sich bei ihr zu entschuldigen. Er konnte nur hoffen, dass sie das wusste und seine Entschuldigung annahm. Glücklicherweise gehörte sie nicht zu den Pädagogen, die jedes Thema erst problematisieren, bis ins Kleinste zerlegen und ausdiskutieren müssen. Als sie sich zu ihm setzte, kam er auf ihre Äußerung zurück. „Du glaubst jetzt nicht mehr an die Unschuld deiner Kollegin?«
    „Ja, nein, ich meine, falls sie es getan hat, hatte sie einen guten Grund.«
    „Dann ist die Sache doch klar. Sie war am Tatort, sie hatte Gelegenheit und Motiv, und ihre Fingerabdrücke sind auf der Tatwaffe. Mehr braucht kein Richter.«
    Er kannte Helga. Für sie war das Geschehen längst nicht so eindeutig. Helga fand immer noch ein Aber.
    „Willst du eine Mörderin schützen?«, fragte er deshalb brutal.
    „Sie ist keine Mörderin! Doch ja, schon, aber ...«
    Da war es, ihr Aber. Fast musste er schmunzeln. Er unterdrückte es gerade noch rechtzeitig. „Erzähl mir, warum sie es tat«, bat er leise.
    „Es gibt andere, die ebenfalls Motiv und Gelegenheit hatten, Sauermann zum Beispiel oder die Hellwitz.«
    „Du bist deiner Sache doch sicher?« Nach einem Moment des Schweigens fuhr er leise fort. „Könntest du mit dem Gedanken leben, dass ein Unschuldiger unter Verdacht gerät?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    „Siehst du. Sag mir, was du über ihr Motiv weißt. Es muss gravierend sein.«
    Helga schenkte Tee ein, nahm ihre Tasse in beide Hände, als wollte sie sich daran festhalten. Sie dachte an Elli, die von der Qual in Andreas Blick gesprochen hatte und der Verzweiflung, die aus ihren wenigen Worten heraus klang.
    „Erzähl es mir«, wiederholte Klaus. „Und dann sprich mit deiner Kollegin. Sie muss sich mitteilen, sonst überwindet sie den Schock nie.« Er berichtete ihr von seinem Gespräch mit Doktor Woloski. „Rede mit Andrea. Mach ihr klar, dass du alles weißt. Dir muss ich doch wohl nicht erklären, welche Folgen ein Trauma haben kann.«
    Helga zuckte zusammen. Es war gemein, sie auf diese Weise an den Fall der toten Kinder zu erinnern. „Also gut«, stimmte sie mit leiser Stimme zu und erzählte von Britta. „Verstehst du, sie hat mitbekommen, wie das Mädchen leidet, wie es scheinbar grundlos in Tränen ausbricht, weil irgendein Wort, irgendeine Bewegung Erinnerungen wachgerufen hat, sie hat hautnah die Ängste erlebt und den Vater des Mädchens gehasst, wie man so ein Scheusal nur hassen kann – und dann musste sie erfahren, dass sie sich in diesen Mann verliebt hatte. Dass sie im Begriff war, ein Monster zu heiraten.«
    „Aber deshalb hätte sie doch nicht ...«
    Helga unterbrach ihn ziemlich heftig. „Du solltest besser als ich wissen, wozu ein zutiefst enttäuschter Mensch fähig ist. Es war ja nicht nur das. Hinzu kommt ihre verquere, religiöse Erziehung. In den Augen ihrer Eltern ist Scheidung Sünde. Sie hatte schon Probleme genug, weil sie einen Geschiedenen heiraten wollte. Hätte sie sich von ihm getrennt, hätte sie ihre Eltern ebenfalls verloren und sich selbst als sündige Hure gesehen. Für einen Außenstehenden mag das schwer nachvollziehbar sein, aber für sie traf plötzlich alles zusammen. Die große Liebe, auf die sie so viele Jahre gewartet hatte, das Verhältnis zu ihren Eltern, ihr Selbstverständnis – alles kaputt. Dass sie da ausgerastet ist, ist doch verständlich und entschuldbar, oder nicht?«
    „Verständlich ja, entschuldbar nein. Sie hat einen Menschen getötet. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Nicht vor dem Gesetz und auch nicht vor dem Gewissen.«
    „Vor allem nicht vor ihrem Gewissen. Sonst würde sie sich nicht so quälen.«
    „Wirst du mit ihr reden?«
    Helga nickte.
     

Epilog
     
    Als ein halbes Jahr später die Verhandlung begann, wusste Helga, dass sie richtig gehandelt hatte. Seit jenem Morgen im Krankenhaus, als sie ihr die Tat auf den Kopf zusagte und Verständnis bekundete, hatte sie Andrea nicht mehr gesehen. Doch schon damals spürte sie, wie Qual und Sprachlosigkeit langsam schwanden, besonders als sie von Frau Soltau und ihrem Verständnis berichtete. „Mord ist keine Lösung!«, hatte Andrea
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